Jako-Interview mit einer Lehrerin
Das Gespräch mit Frau May wurde auf Tonband aufgenommen. Es wurde von der gesamten
Redaktion geführt. Vorbereitet wurde es von Anna-Lisa Klie.
Jako: Sind Sie traurig, dass
Sie nicht mehr an der Schule unterrichten?
Frau May: Eigentlich
nicht, nein.
Jako: Wie lange unterrichteten Sie an der Schule?
Frau May: 36 Jahre habe ich unterrichtet. Das reicht eigentlich.
Jako: Welche Fächer unterrichteten Sie am liebsten?
Frau May: Also, am liebsten habe ich unterrichtet Deutsch, Englisch,
Religion, Musik. Das waren meine Lieblingsfächer. - Willst du die anderen Fächer
auch noch wissen, die ich schon unterrichtet habe? (Allgemeines Gelächter.)
Jako: Was war Ihr schönstes Erlebnis?
Frau May: In der Schule? Da muß ich lange nachdenken. Ich hatte viele
schöne Erlebnisse. Das letzte schöne Erlebnis war meine Abschiedsfeier. Darüber
habe ich mich sehr gefreut. Und dann habe ich mich vor , na, vor 35 Jahren ungefähr
sehr darüber gefreut, dass ich meine 2. Prüfung hatte und ganz selbständig unterrichten
durfte.
Jako: Was war Ihr lustigstes Erlebnis?
Frau May: Mein lustigstes Erlebnis war, als ein Kind in der 2. Klasse
gefragt hat, wie alt ich bin - und da habe ich gesagt: "Na, rate doch mal!“
Und das Kind hat gesagt: „81“.
Jako: Wie alt sind Sie? - (Gelächter).
Frau May: Ich werde
jetzt 60. Ich hätte jetzt sagen sollen: Ratet doch mal!“ - Habt Ihr sonst noch
Fragen?
Jako: Was ist Ihr Lieblingsessen?
Frau May: Mein Lieblingsessen, ja, eigentlich Nudeln mit Tomatensoße.
Jako: Was ist Ihr Lieblingsgetränk?
Frau May: Mein Lieblingsgetränk ist zur Zeit Apfelsaftschorle. - Noch
was?
Jako: Wo wohnen Sie?
Frau May: Ich wohne hier, neben der großen Kirche, neben der St-Cyriakus-Kirche
auf der Marktstraße in Duderstadt. Ja, neben Florian. - Und das hier ist Sebastian,
oder?
Jako: Der sieht nur so aus wie Sebastian.
Frau May: Ach so, Sascha, aber Sascha sieht so ähnlich aus wie Sebastian.
Jako: Haben Sie ein Auto?
Frau May: Ja, ich habe ein Auto mit meinem Mann zusammen. Hier in Duderstadt
brauche ich doch kein Auto. Ich fahre immer Rad. - Wollt Ihr meine Hobbies wissen?
Jako: Ja, ja!
Frau May: Rad fahren, Schwimmen, Lesen. Und Musik hören und Musik machen.
Jako: Von Mozart?
Frau May: Ja, klassische Musik singe ich gerne und höre ich auch gerne.
Jako: Und was lesen Sie?
Frau May: Ich lese am liebsten Biografien, das heißt über das Leben von
berühmten Menschen, und im Moment habe ich gelesen von der Frau von Johann Wolfgang
von Goethe, Christiane. Da gibt es ein ganz dickes Buch, das hat 520 Seiten
und das habe ich gerade gelesen - weil ich ja ganz viel Zeit habe jetzt. Und
von Janusz Korczak gibt es auch ein ganz dickes Buch, „Das Leben von Janusz
Korczak“, das habe ich auch sehr gerne gelesen. Und von solchen Leuten lese
ich die Lebensgeschichte.
Jako: Was war Ihr schlimmstes Erlebnis?
Frau May: Mein schlimmstes Erlebnis in der Schule. Soll ich es einmal
ganz ehrlich sagen? Ja! Also, am Anfang werden die jungen Lehrer, wenn sie neu
in der Schule sind, öfter besucht, von einem Mann, der heißt Schulrat. Den gibt
es hier auch, aber hier sieht man ihn nicht mehr so oft. Früher kam der Schulrat
unangemeldet in den Unterricht. Und ich hatte 52 Kinder in der 2. Klasse und
mußte mich immer sehr gut vorbereiten. Und an einem Morgen um Viertel nach acht,
die Schule hatte um acht Uhr angefangen, da kam der Schulrat in die Schule,
und ich musste ihm zwei Stunden vorführen. Ausgerechnet an dem Morgen war ich
nicht gut vorbereitet. Ich hatte mir nichts aufgeschrieben, ich hatte nur was
im Kopf. Und das war mein allerschrecklichster Schulmorgen. Das könnt Ihr euch
denken, denn der Schulrat hat gefragt: „Frau May, wo sind Ihre Hausaufgaben?“
Und ich hatte sie nicht. Ich hatte das nicht aufgeschrieben. Und dann hat der
Schulrat hinterher gesagt: „Wenn ich das noch mal erlebe, dann müssen Sie sicher
noch einmal studieren.“ Das war ganz, ganz schrecklich. Könnt Ihr euch das vorstellen?
Ich habe es aber dann hinterher doch geschafft. Ich habe das nie wieder getan.
Das glaubt Ihr. Das wisst Ihr ja auch, wie das ist - ohne Hausaufgaben. Und
das war noch viel schlimmer.
Jako: Wir bedanken uns bei Ihnen.
Frau May: Ich hoffe, dass was drauf ist, auf dem Tonband! - Jubel und
Klatschen.
(Anmerkung: Natürlich wurde das
Tonband gleich anschließend von allen gemeinsam abgehört.)
Entnommen aus: Jako - Schülerzeitung der Janusz-Korczak- Grundschule, No.
4, Juli 1999.