Bericht des Eichsfelder Tageblattes vom 30.6.1999 - mit Kommentar

Schuldebatte tritt auf der Stelle.

Der Forderung nach gleichen Lernbedingungen und Bildungschancen für alle Kinder im Grundschulzentrum hat der Leiter der Janusz-Korczak-Grundschule in Duderstadt Nachdruck verliehen. "Es besteht unabweislicher Handlungsbedarf seitens der Verantwortlichen", erklärte Helmut Schütze gegenüber dem Schulausschuß.

Duderstadt (hho). Den Mitgliedern des Schul-, Kultur-, Sport- und Tourismusausschusses erläuterte der Rektor beim Besuch in der Janusz-Korczak-Schule am Montag die Situation seiner Schule. In der auch schriftlich überreichten Information wies Schütze auf den Anteil von circa 37 Prozent ausländischer und ausgesiedelter Schülerinnen und Schüler im kommenden Schuljahr hin. "Im Gegensatz dazu dürfte der Anteil in der St.-Elisabeth-Schule bei maximal fünf Prozent liegen", meinte Schütze und folgerte: Dies bedingt ungleiche schulische Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler der beiden Schulen im Grundschulzentrum, die durch nichts zu rechtfertigen sind." Mit Hinweis auf das Schuljahr 2000/2001, in dem der Ausländeranteil an seiner Schule unter ungünstigen Umständen bei 58 Prozent liegen könne, sei es dringender als je geboten, nach Wegen zur Herstellung gleicher schulischer Lernbedingungen an beiden Schulen zu suchen, sagte Schütze. Im Interesse der Duderstädter Grundschulkinder müsse vermieden werden, daß in Standorten, wo Bekenntnisschulen im Wettbewerb zu Schulen für Kinder aller Bekenntnisse stehen, "gezielt lernstarke Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern angeworben" werden.

Soweit die im ET inhaltlich vollständige Wiedergabe der Ausführungen des Schulleiters der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt. Die Diskussion zu diesen Ausführungen im Ausschuss verlief in gewohnter Weise. Mit Verweis auf den Elternwillen der katholischen Elternschaft der St.-Elisabeth-Schule, welche mit der Janusz-Korczak-Grundschule im gleichen Gebäudekomplex untergebracht ist, wurde hartnäckig jede Änderung der Schulsituation abgelehnt. "Wenn die Eltern eine Zusammenlegung beider Schulen nicht wollen, werden wir nichts dagegen unternehmen", wird die Position der Mehrheitsfraktion im Rat vom Eichsfelder Tageblatt wiedergegeben, denn für "die Verwaltung seien Schulgesetz, Elternwille und Entscheidung des Rates maßgebende Eckpunkte", ergänzte Stadtdirektor Nolte.

Da ist ganz bewusst übersehen worden, dass es ein übergeordnetes Recht auf gleiche schulische Lernbedingungen für alle Kinder in Duderstadt gibt, welches die Eltern der Janusz-Korczak-Grundschule einzufordern berechtigt sind. Dass die katholische Elternschaft der St.-Elisabeth-Schule keine Zusammenlegung beider Grundschulen im Grundschulzentrum will, wie immer behauptet wird, müsste doch erst einmal nachgewiesen werden. Zuvor aber hat der Schulträger und mit ihm der Rat der Stadt Duderstadt die wenigstens moralische Pflicht, alles zu unternehmen, die katholische Elternschaft instandzusetzen, ein eigenes Urteil über die schreiend ungerechten schulischen Lernbedingungen an beiden Schulen zu fällen. Dazu ist die Aufrechterhaltung verbreiteter Vorurteile nicht geeignet. Die politisch Verantwortlichen sollten vielmehr alles daran setzen, auch die noch zögernden katholischen Eltern davon zu überzeugen, dass auch ihre Kinder nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen sollten. Und das könnten alle Duderstädter Grundschulkinder tun - in einem Grundschulzentrum, das integriert statt "auszulesen" oder gar zu stigmatisieren. - Doch da sind im Stadtrat noch viele Barrieren zu überwinden! Das zeigt die nicht weiter zu kommentierende Einstellung des Ratsherren Herbold (Mehrheitsfraktion), der keinen Unterschied in den Lernbedingungen von Schulen zu sehen vermag, bei denen der Anteil an ausländischen, auf besondere Hilfen angewiesenen Schülerinnen und Schülern im einen Falle bei ca. 50 %, im andern Falle bei ca. 5 % liegt!

Martin Müller, Mitglied im SER der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt

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