Presseberichte mit Kommentaren
Janusz-Korzak-Grundschule (links), St.-Elisabeth-Grundschule (rechts)

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Presseberichte über die Janusz-Korczak-Grundschule mit Kommentaren:

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Soziale Selektion von Kindern in Duderstadt

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Entnommen aus "25 Jahre Konkordatsschulen - Kein Grund zum Feiern!", erschienen in "EuW Niedersachsen"(Niedersächsische Lehrerzeitung)", herausgegeben von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen, Nr. 1, 18. Januar 1999, Seite 26.
 

Im Ortsteil Duderstadt sind in einem Gebäudekomplex zwei sehr unterschiedliche Grundschulen untergebracht: die Janusz-Korczak-Grundschule für Schülerinnen und Schüler aller Bekenntnisse und die St.-Elisabeth-Schule als ebenfalls städtische, aber katholische Konfessionsschule.

Zum Konzept der St.-Elisabeth-Schule gehört es, durch christliche Erziehung unter anderem "zur Gemeinschaft mit gläubigen Menschen" zu führen. Dazu wird weiter festgestellt: "Unterschiedliche Haltungen in Wertfragen zwischen den Bezugspersonen im Elternhaus und in der Schule können ein Kind belasten." So nahm die St.-Elisabeth-Schule bislang nur katholisch getaufte Kinder auf - und sorgte auf diese Weise dafür, dass "belastende" unterschiedliche Wertvorstellungen nicht in die Schule eindringen konnten. Ihre Pädagogik ist also auch eine solche des Behütens vor dem Nichtkatholischen. Das hat Auswirkungen, die bereits auf den beiden - getrennten - Schulhöfen des Duderstädter Grundschulzentrums unübersehbar ins Auge fallen: Die St.-Elisabeth-Schule stellt den nahezu ausländerfreien Schulbereich dar; der Ausländeranteil tendiert gegen Null.

Ganz anders die Entwicklung an der unmittelbar benachbarten Janusz-Korczak-Grundschule von ungefähr gleicher Größe. Dort ist der Anteil ausländischer Kinder unter den Schulanfängern in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen und wird sich nach den vorliegenden statistischen Unterlagen künftig weiter erhöhen, von 38 Prozent im laufenden Schuljahr auf 61 Prozent im voraussehbaren Höchstfall - sofern nichts unternommen wird, um diese Ungleichheit schulischer Verhältnisse in unmittelbarer Nachbarschaft zu verändern und dem verfassungsmäßig gebotenen Gleichheitsgrundsatz mehr Geltung zu verschaffen.

Handeln wollte die St.-Elisabeth-Schule tatsächlich, aber in ganz anderer Richtung. Im Herbst 1997 entschied sie sich, künftig auch nichtkatholische Kinder aufzunehmen. Diese geplante Öffnung für nichtkatholische Kinder sollte im Hinblick auf die eigene Schule allerdings nur vorsichtig vollzogen werden. Gedacht war an eine begrenzte Aufnahme evangelischer, somit wiederum nur deutscher Kinder. Gegenüber der Janusz-Korczak-Grundschule dagegen war dieses Vorhaben von Rücksichtslosigkeit geprägt. Die von einem Schulaufsichtsbeamten drastisch als "Schülerklau" bezeichnete Absicht würde für diese Schule nämlich bedeuten, daß sich dort das zahlenmäßige Verhältnis von deutschen zu ausländischen Kindern zusätzlich ungünstig entwickeln müsste. Denn woher als von der Janusz-Korczak-Grundschule hätten die evangelischen deutschen Kinder für die St.-Elisabeth-Schule kommen sollen?

In Duderstadt begann nun eine breite öffentliche Diskussion darüber, ob denn nicht die beiden städtischen Schulen im Grundschulzentrum sich gleichermaßen an der gesellschaftlich wichtigen Aufgabe der Integration ausländischer Kinder beteiligen müssten. Diese Diskussion ließ erkennbar werden, wie weit offensichtlich der Einfluß der katholischen Kirche in die staatlichen katholischen Grundschulen hineinreicht. Denn gerade so, als gebe es die geistliche Schulaufsicht noch, kündigten nach etlichem Hin und Her nicht die eigentlich zuständigen Stellen, sondern der Duderstädter Probst Damm und der Schulrat im Kirchendienst Thalmann in einem Gespräch mit dem "Eichsfelder Tageblatt" die Öffnung der doch staatlichen St.-Elisabeth-Schule auch für nichtkatholische ausländische Kinder an. Das "Eichsfelder Tageblatt" titelte: "St.-Elisabeth-Schule trägt Integration mit."

Diese Überschrift war allerdings irreführend, denn bei genauer Betrachtung des kirchlichen Angebots wurde seine nicht nur zahlenmäßige Begrenztheit deutlich. Durch die erklärte Bereitschaft zur Aufnahme von jährlich höchstens zwei deutschen und vier ausländischen nichtkatholischen Kindern wäre zwar, wie sich leicht ausrechnen ließ, an der St.-Elisabeth-Schule der Anteil ausländischer Kinder je Einschulungsjahrgang auf 6 bis 10 Prozent gestiegen, an der Janusz-Korczak-Grundschule aber nur auf 33 bis 58 Prozent gesunken. Dieses kirchliche Angebot war also nicht geeignet, gleiche Verhältnisse hinsichtlich der Aufnahme von Kindern ausländischer Herkunft an beiden Schulen zu schaffen und damit die Möglichkeiten schulischer Integration ausländischer Kinder in Duderstadt zu verbessern. Überdies wurde lediglich die Bereitschaft erklärt, die ausländischen, also überwiegend muslimischen Kinder an der St.-Elisabeth-Schule katholisch zu erziehen - mit der gesetzlich vorgeschriebenen Ausnahme des Religionsunterrichts. Kirchenschulrat Thalmann erklärte nämlich weiter, Voraussetzung für die Aufnahme ausländischer Kinder an der St.-Elisabeth-Schule sei, "daß die betroffenen Eltern ... das Konzept der Bekenntnisschule akzeptieren und das schulische Leben mittragen".

In der geistigen Enge solcher streng katholischen Schulbildung ist somit tatsächlich kein Platz für Kinder ausländischer, also fremder kultureller Herkunft, solange diese und ihre Eltern sich nicht verbiegen lassen wollen. Statt Integration wurde Assimilation an das katholische Milieu angeboten. Ausländische Eltern in Duderstadt empfanden dies als ein verletzendes Angebot.

Eine an sich naheliegende Lösung des dargestellten Problems ungleicher schulischer Verhältnisse könnte natürlich sein, die beiden Grundschulen zu vereinigen. Das ist aber angesichts konkordatsbedingter Schutzklauseln für konfessionelle Grundschulen in absehbarer Zeit nicht erreichbar, zumal ein Handlungswille der Schulbehörde wie der Stadt Duderstadt nicht erkennbar ist. Spielt dabei das mächtige kirchliche Gegenüber eine Rolle?

Das Kultusministerium vertritt die Auffassung, "daß die Frage ... der Vereinigung mit anderen Schulen davon abhängt, welche Veränderungsform der Schulträger wünscht". Es hält auf diese Weise sich selbst und die Schulaufsicht aus der Angelegenheit heraus, obwohl doch im Erlaß des MK vom Februar 1998 als "Leitbild für die Schulaufsicht in Niedersachsen" bestimmt wurde, Ziel schulaufsichtlichen Handelns sei, "für alle Schülerinnen und Schüler vergleichbare Bildungschancen zu garantieren".

Und der Schulträger, also die Stadt Duderstadt, votiert gegen jegliche Veränderung. Den gemeinsamen Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und einer Bürgerinitiative, durch eine Befragung der Elternschaften beider Schulen den ersten rechtlich notwendigen Schritt zu einer Schulzusammenlegung zu tun, lehnte der Stadtrat im Oktober 1998 mit den Stimmen von CDU und SPD ab. Selbst der Antrag, die gleiche Beteiligung beider Grundschulen an der Integrationsaufgabe und gleichwertige Lernbedingungen an beiden Schulen wenigstens grundsätzlich als Zielvorstellung festzuschreiben, fand nicht die Zustimmung dieser Ratsmehrheit.

                                                                                                                                                                        Götz Hütt
 
 
 
 

Dieser von Götz Hütt, Lehrer an der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt verfasste Beitrag hat zu zwei Leserbriefen in der EuW-Ausgabe 3/99 geführt, der eine von Franz Thalmann, Schulrat im Kirchendienst, Bischöfliches Generalvikariat Hildesheim, der andere vom Leiter der Eichendorffschule in Wolfsburg. Beide Leserbriefe werden hier in der genannten Reihenfolge wiedergegeben und kommentiert. Die Wiedergabe auch der Position der anderen Seite ermöglicht dem Leser, sich sein eigenes Bild von der Gesamtproblematik zu machen:




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