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Dokument 8 Eltern informieren Ratsmitglieder!

Über Inhalt und Zielrichtung des Berichts der Stadtverwaltung an den Rat der Stadt Duderstadt in der Sitzung am 20. Juli 1998 konnte es keinen Zweifel geben. Die bekannten und in den vorangegangenen Dokumenten wiederholt formulierten Positionen der Verwaltung würden den Ratsherren vorgelegt werden ohne Einbeziehung der Analysen, die sich aus der prognostizierten Entwicklung der Schülerstrukturen an beiden Schulen auf Grund des Zahlenmaterials der Stadt Duderstadt ergaben. Hierin lag eines der Motive für eine Initiative von Eltern und Lehrkräften der Janusz-Korczak-Grundschule, die Ratsmitglieder aller Fraktionen ungeschönt über die Sachlage zu informieren. Alle Ratsmitglieder erhielten von den zur Sitzung erschienenen Eltern und Lehrkräften das im Folgenden abgedruckte Informationsblatt, das bereits wenige Stunden zuvor an den Bürgermeister und an den Stadtdirektor gegangen war:

Duderstadt, den 20. 7. 1998

Elternvertreterinnen und Kolleginnen und Kollegen
der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt

 

An die
Mitglieder des Rats der Stadt Duderstadt
zu ihrer Sitzung am 20.7.1998
und an die Damen und Herren der Stadtverwaltung

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Koch, sehr geehrter Herr Stadtdirektor Nolte,
sehr geehrte Damen und Herren!

Wir nehmen vor Beginn unserer eigenen heutigen Konferenz zeitweise als Zuhörer/innen an der Ratssitzung teil - in der Erwartung, aus erster Hand über Dinge informiert zu werden, die unsere Schule betreffen, aber auch, um deutlich zu machen, welches die Interessen dieser Schule und damit vor allem ihrer Kinder sind.

Die Janusz-Korczak-Grundschule wurde, obwohl erheblich betroffen und in der Sache in vieler Hinsicht kompetent, an den Gesprächen zur Lösung des Problems der Integration ausländischer Schülerinnen und Schüler bislang nur in der Weise beteiligt, daß sie jeweils mit fertigen, unter Ausschluß ihrer Mitwirkung erarbeiteten Lösungsmodellen konfrontiert wurde, denen sie dann ihre Zustimmung geben sollte. Diese Vorschläge sahen unterschiedliche Quotenregelungen für die Aufnahme nichtkatholischer Kinder an der St.-Elisabeth-Schule vor.

Zustimmung zu diesen Vorschlägen hätte bedeutet, grundsätzlich festzuschreiben und mitzuverantworten, daß es an den beiden Schulen im Grundschulzentrum, künftig zunehmend, ungleiche Lernbedingungen für die Kinder gibt. Denn im rechnerisch günstigsten Fall würde bei einer solchen Regelung in den nächsten Jahren der Anteil ausländischer Kinder unter den Schulanfängern in der St.-Elisabeth-Schule bei 6-10 Prozent liegen, in der Janusz-Korczak Grundschule aber bei 33 bis 58 Prozent.

Aus der für morgen ausgesprochenen Einladung der Stadt Duderstadt an diejenigen Eltern, die ihr Kind zum nächsten Schuljahr bei der Janusz-Korczak-Grundschule angemeldet haben, schließen wir auf eine neue Einschulungspraxis der St.-Elisabeth-Schule bereits zum Schuljahr 1998/99. Es soll diesen Eltern das Angebot gemacht werden, Kinder in begrenzter Zahl bei der Janusz-Korczak-Grundschule ab- und bei der St.-Elisabeth-Schule anzumelden. Die genauen Bedingungen dieser einseitigen Aktion zu Gunsten einer Anmeldung von Kindern bei der St.-Elisabeth-Schule sind uns nicht bekannt.

Warum aber hat die Stadt nicht die Erziehungsberechtigten aller Schulanfänger im Ortsteil Duderstadt zu einer gemeinsamen Versammlung eingeladen, um anzuregen, daß angesichts des Integrationsproblems alle Eltern die bereits erfolgte Anmeldung ihrer Kinder noch einmal überdenken. Warum sollen dies nur jene deutschen und ausländischen Eltern tun, die ihr Kind an der Janusz-Korczak-Grundschule angemeldet haben? Sofern es darum geht, ohne eine grundsätzliche Lösung des Schulproblems zumindest eine gewisse Entlastung für die Janusz-Korczak-Grundschule zu erreichen, hätte die Stadt in umgekehrter Richtung auch den katholischen Eltern gleichermaßen eine Chance zur Ummeldung ihrer Kinder geben und dafür werben können, sie an der Janusz-Korczak-Grundschule anzumelden. Wenn nämlich mehr katholische Eltern als bisher veranlaßt werden könnten, ihr Kind an der Janusz-Korczak-Grundschule anzumelden, würde dies dort mit Sicherheit zu einem günstigeren Verhältnis von deutschen zu ausländischen Kindern führen.

Eine Einladung an alle Eltern der Schulanfänger im Ortsteil Duderstadt durch die Stadt hätte unserer Auffassung nach auch in diesem Fall einer Gleichbehandlung beider Schulen im Grundschulzentrum eher entsprochen.

Mit freundlichem Gruß


Die Rückseite dieses Schreibens enthielt die bereits in Dokument 5 mitgeteilte Tabelle, die am 9. 7. 1998 mit einem erläuternden Text als Pressemitteilung an das Eichsfelder Tageblatt gegangen, aber nicht veröffentlicht worden war. Soweit bekannt erhielten also die Ratsmitglieder hier zum ersten Male die durchgerechneten Konsequenzen aus dem Zahlenmaterial, das der Stadtdirektor in der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses am 12. 3. 1998 mitgeteilt hatte:

Schülerentwicklung an den beiden Grundschulen im Ortsteil Duderstadt. Die Zahlen in Spalte 3 (ab 1999/2000) sind in der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses vom 12.3.98 bekanntgemacht worden.

Schuljahr Schule alte Regelung neue Regelung1)
1998/1999 JKGs
St.-E.-S.
39(15)2) = (38 %)
63 (00) = (00 %)
33(11) = (33 %)
69 (04) = (06 %)
1999/2000 JKGs
ST.-E.-S.
47 (18) = (38 %)
56 (00) = (00 %)
39 (13) = (33 %)
64 (05) = (08 %)
2000/2001
JKGs
ST.-E.-S.
48 (28) = (58 % )
55 (01) = (02 %)
40 (23) = (58 %)
63 (06) = (10 %)
2001/2002 JKGs
ST.-E.-S.
51 (20) = (40 %)
51 (01) = (02 %)
43 (15) = (36 %)
59 (06) = (10 %)
2002/2003 JKGs
ST.-E.-S.
60 (25) = (42 %)
59 (01) = (02 %)
51 (19) = (37 %)
68 (07) = (10 %)
2003/2004

JKGs
ST.-E.-S.

64 (22) = (34 %)
45 (00) = (00 %)
57 (18) = (32 %)
52 (04) = (08 %)

1) Bei dieser Darstellung wird davon ausgegangen, daß tatsächlich die den Schülerinnen und Schülern ausländischer Herkunft angebotenen Plätze an der St.-Elisabeth-Schule wahrgenommen werden
2) Alle in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf Schülerinnen und Schüler ausländischer Herkunft. Schülerinnen und Schüler aus ausgesiedelten Familien sind darin nicht enthalten.

Diese Tabelle ist der Pressemitteilung der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt an das Eichsfelder Tageblatt vom 9. 7. 1998 entnommen. Sie zeigt, wie die Verteilung der Schüler aussieht, wenn nichts geschieht ("alte Regelung") und welche Veränderungen sich ergeben, wenn die Quotierungs-Variante 1 : 2 greift (auf einen nichtkatholischen deutschen kommen zwei nichtkatholische ausländische Schüler für eine Aufnahme an der St.-Elisabeth-Schule in Betracht, "neue Regelung").

Wie erinnerlich hatte der Leiter der Janusz-Korczak-Grundschule vorgeschlagen, über den Schulträger alle Eltern der Schulanfänger des Einschulungsjahrganges 1998/1999 zu einer Informationsveranstaltung einzuladen (vgl. Dokument 5). Diese Anregung wurde aufgenommen. Allerdings hielt es der Schulträger für richtig, ausschließlich jene Eltern zu einem solchen Gespräch einzuladen, die ihr Kind bereits an der Janusz-Korczak-Grundschule (Anfang März 1998) angemeldet hatten, eine Entscheidung, die auch in der oben publizierten Aktion angesprochen worden ist. Warum nur die Eltern der Schulanfänger an der Janusz-Korczak-Grundschule? Waren die nichtkatholische Elternschaft und deren Kinder als "Manövriermasse" zur Aufstockung der katholischen St.-Elisabeth-Schule gedacht angesichts der Tatsache, dass der Tendenz nach die einzuschulenden katholischen Kinder gegenüber den nichtkatholischen abnahmen? Oder glaubte der Schulträger, die katholische Elternschaft sei per se über das informiert, was an dem anberaumten Elternabend behandelt werden sollte? Oder war es aus der Sicht des Schulträgers für katholische Eltern unzumutbar zu erwägen, ihr Kind an der Janusz-Korczak-Grundschule anzumelden, um - wie in einem Leserbrief vom 13. 7. 98 angeregt (vgl. Dokument 5) - "die Chance einer christlichen Erziehung und nuancenreichen Pädagogik an der Janusz-Korczak-Schule" zu nutzen?

Die Ratssitzung verlief in der Tat wie erwartet. Das Eichsfelder Tageblatt berichtete am 22. 7. 98 ausführlich, allerdings ohne die Eltern-Lehrer-Initiative zu erwähnen:

Grundschulen/St. Elisabeth-Schule nimmt auch ausländische Jungen und Mädchen auf
Integration als Gemeinschaftsaufgabe

In Zukunft soll die katholische St. Elisabeth-Schule stärker in die Integrationsarbeit mit ausländischen Grundschülern verstärkt einbezogen werden. Bereits zum kommenden Schuljahr soll eine entsprechende Regelung greifen. Sechs bekenntnisfremde Schülerinnen und Schüler (vier ausländische Kinder und zwei deutsche) können dann an der St. Elisabeth-Schule aufgenommen werden.

Duderstadt (sr). Rund zwei Stunden diskutierte der Rat der Stadt anläßlich seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause über das Schulthema, wobei sich ein größerer Teil der Gruppe, bestehend aus den Grünen/Bündnis 90, WDB und dem parteilosen Hans-Georg Schwedhelm, für eine Zusammenlegung der St. Elisabeth und der Janusz-Korczak-Schule aussprachen. Dies sei der beste Weg, um die Integration ausländischer Kinder sicherzustellen.

Die CDU-Mehrheit stellt den Elternwillen in den Vordergrund und spricht sich deshalb für den Erhalt der beiden Grundschulen aus. Wenn der Großteil der Bevölkerung in Duderstadt katholisch sei und dementsprechend auch einen katholisch geprägten Unterricht für seine Kinder wünsche, dann müsse man das respektieren. Im übrigen sei es ganz alleine die Sache eines jeden Rektors, wen er als Schüler in seiner Schule aufnehme.

In Gesprächen mit den beiden Schulleitungen, den Elternvertretern, dem Propst und anderen Beteiligten, so erläuterten Bürgermeister Lothar Koch und Stadtdirektor Wolfgang Nolte, sei aber über Möglichkeiten nachgedacht worden, wie eine Entlastung für die Integrationsarbeit an der Janusz-Korczak-Schule bereits zum neuen Schuljahr erreicht werden könne. Das neue Schuljahr beginnt bereits nach der Sommerpause.

Dazu wurde von der Bezirksregierung Braunschweig zugesagt, 40 zusätzliche Lehrer-Wochenstunden an der Janusz-Korczak-Schule vorzusehen. Ebenso sollen bekenntnisfremde Eltern die Möglichkeit erhalten, ihre Kinder an der St. Elisabeth-Schule anzumelden. Dort sollen aber nur so viele aufgenommen werden, daß die Zweizügigkeit an der Janusz-Korczak-Schule gewährleistet bleibt. Eltern werden über die Beschulungsmöglichkeiten informiert.

Manchmal müssen auch unzutreffende Behauptungen herhalten, um zur Begründung von Entscheidungen zu dienen. Es trifft nämlich nicht zu - wie die "CDU-Mehrheit" nach Angaben des ET argumentierte - dass es "ganz alleine die Sache eines jeden Rektors" sei, "wen er als Schüler in seiner Schule aufnehme". Diese Wahlfreiheit steht lediglich den Leitern von Konfessionsschulen zu (mit Bezug auf die Aufnahme bekenntnisfremder Kinder). Hier die am 22.07.98 an die Redaktion des Eichsfelder Tageblattes gerichtete Richtigstellung durch den Schulleiter der Janusz-Korczak-Grundschule:

"Integration als Gemeinschaftsaufgabe" - Ihr Beitrag vom heutigen Tage

Im genannten Bericht schreiben Sie u. a.: "Im übrigen sei es ganz alleine die Sache eines jeden Rektors, wen er als Schüler in seiner Schule aufnehme." Dies trifft so generell nicht zu. Der Rektor der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt kann sich die Schülerinnen und Schüler nicht aussuchen. Er ist vielmehr verpflichtet, jedes Kind, das an der Schule angemeldet wird, aufzunehmen.

Eingespielt am 14.01.2000

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