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Dokument 11 Appell an den Bundespräsidenten

Duderstadt sah einem großen Ereignis entgegen - dem Besuch des seinerzeitigen Bundespräsidenten Roman Herzog. Mit seinem Besuch wollte dieser die Anstrengungen der Stadt Duderstadt bzw. der führenden Repräsentanten der Kommune zur Überwindung der Trennung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze würdigen. Alle Schulen Duderstadt's waren aufgefordert, dem Bundespräsidenten mit allen Schulkindern einen freundlichen Empfang zu bereiten. Auch die Janusz-Korczak-Grundschule war dabei. Zuvor aber hatten Eltern und Lehrkräfte der Schule sich mit dem folgenden Brief an den Bundespräsidenten gewandt (am 6. 10. 1998):

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

am 14. Oktober werden Sie dem Eichsfeld in der Stadt Duderstadt einen Besuch abstatten, um sich von der Überwindung einer Trennung zu überzeugen, die vier Jahrzehnte lang durch den eisernen Vorhang bestanden hatte.

Nicht überwunden, vielmehr verfestigt hat sich die Trennlinie, die in Duderstadt zwischen den Grundschulkindern und den diesen zugeordneten Grundschulen verläuft: Auf der einen Seite die Janusz-Korczak-Grundschule mit Kindern aller Konfessionen und allen nichtkatholischen Kindern ausländischer oder ausgesiedelter Herkunft (zum jetzigen Zeitpunkt ca. 36 %, mit steigender Tendenz), auf der andern Seite die St.-Elisabeth-Schule als staatliche, aber katholische Grundschule mit ausschließlich katholischen Kindern und einem Anteil von Kindern ausländischer oder ausgesiedelter Herkunft von weniger als 2 %.

Das Bemühen, durch die Zusammenlegung beider Grundschulen, die im gleichen Gebäudekomplex untergebracht sind, gleiche schulische Lernbedingungen für alle Grundschulkinder herzustellen und die notwendige Integrationsarbeit zu optimieren, wird leider durch die Stadt Duderstadt nicht unterstützt. Es wird vielmehr unter bewußter Inkaufnahme der bestehenden Ungleichheiten alles getan, um jeden Ansatz in dieser Richtung zu unterbinden. Die gegenwärtige Situation benachteiligt nicht nur die Kinder ausländischer Herkunft, sondern auch die deutschen Kinder, die die Janusz-Korczak-Grundschule besuchen.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Sie haben mehrfach Anstöße gegeben, Verkrustungen aufzubrechen oder Fehlentwicklungen zu kennzeichnen. Das gibt uns die Hoffnung, dass Sie auch im angesprochenen Falle helfen können, falls die übergroße Fülle Ihrer Aufgaben dafür überhaupt Raum lässt. Um diese Hilfe bitten wir Sie.

Eine umfangreiche Dokumentation können wir Ihnen zur Verfügung stellen.

Mit freundlichem Gruß

 

Das Bundespräsidialamt hat darauf am 16. Oktober geantwortet:

Sehr geehrte Frau Deneke, sehr geehrte Damen und Herren, der Herr Bundespräsident hat mich beauftragt, Ihnen vielmals für Ihr Schreiben vom 6. Oktober 1998 zu danken und Ihnen zu antworten.

Der Bundespräsident hat sich vor seinem Besuch ausführlich über die von Ihnen geschilderte Problematik und die Sach- und Rechtslage nach dem Niedersächsischen Schulgesetz unterrichten lassen. Danach fällt die Frage einer Zusammenlegung der beiden Schulen oder einer weitestgehenden Öffnung der St. Elisabeth-Grundschule für nichtkatholische Kinder in die ausschließliche Zuständigkeit der Eltern, der Stadt Duderstadt und des Landes. Der Bundespräsident verfügt insoweit nicht über Kontroll- oder gar Eingriffsbefugnisse, und er darf auch aus Gründen des Gleichbehandlungssatzes nicht Einzelfälle an sich ziehen.

Haben Sie deshalb bitte Verständnis dafür, daß von hier aus nichts Weitergehendes veranlaßt werden kann. Mir bleibt lediglich der persönliche Wunsch, daß bald doch eine Lösung gefunden wird, die alle Beteiligten innerlich akzeptieren können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Jürgen Wolff

Eingegeben am 10.2.2000

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