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Dokument 10 "Verhinderungspolitik"

 

Das vom Schulträger propagierte "Konzept zur Entlastung" der Janusz-Korczak-Grundschule war fehlgeschlagen. Weder Schulelternrat noch Schulleitung konnten es akzeptieren, denn wie hätten sie ihrer Elternschaft den Verzicht auf gleiche schulische Lernbedingungen zu Gunsten eines nachgewiesenermaßen untauglichen "Entlastungskonzepts" erklären können? Das musste auch dem Schulträger bewusst sein. Warum also scheute er eine offene Diskussion mit allen Eltern der Grundschulkinder in seinem Zuständigkeitsbereich? Wenn er schon eine Zusammenlegung beider Grundschulen "unter einem Dach" zu einem integrierten Grundschulzentrum aus rechtlichen Gründen (die es übrigens gar nicht gibt!) für unmöglich hielt, warum verzichtete er dann darauf, die Janusz-Korczak-Grundschule zu entlasten durch Werbung für eine vermehrte Anmeldung katholischer Schulanfänger an dieser Schule? Warum wurde der umgekehrte Weg gewählt? Viele Fragen, auf die der Leser aber ganz leicht eine Antwort finden kann.

Die Einschulungen waren an beiden Schulen wie gewohnt erfolgt. Nichtkatholische Kinder von Eltern ausländischer Herkunft wurden an der St.-Elisabeth-Schule nicht angemeldet, und es wurden auch keine nichtkatholischen deutschen Kinder an der St.-Elisabeth-Schule eingeschult.

Am 25. 9. 1998 berichtete das Eichsfelder Tageblatt:

GRUNDSCHULEN
Gruppe legt Antrag neu vor
Duderstadt (asg). Erneut hat jetzt die Gruppe Bündnis90/Die Grünen-WDB-Hans Georg Schwedhelm ihren Antrag auf Zusammenlegung der beiden Schulen im Grundschulzentrum Duderstadt zur Behandlung in der nächsten Ratssitzung vorgelegt. Die Sitzung ist für Freitag, 2. Oktober, angesetzt. In der Begründung an Bürgermeister Lothar Koch betont die Gruppe, daß sie in der Schul- und Kulturausschußsitzung am 15. Juni auf eine Abstimmung über diesen Antrag verzichtet habe, damit dieser in die weitere Beratung des Problems nach den Sommerferien einbezogen werden könne. Vor diesem Hintergrund sei verständlich, daß der Antrag nicht auf die Tagesordnung der letzten Ratssitzung gesetzt worden sei. Zur Sitzung am 2. Oktober müsse der Antrag eingebracht werden, da sonst der Vorschlag - bei Zustimmung - zum neuen Schuljahr nicht realisiert werden könne.

Bislang sieht die Rechtslage vor, daß in der katholischen St. Elisabeth Grundschule "ein geringer Prozentsatz" ausländischer Kinder beschult werden könnte. Im Oktober soll diese Angabe auf 15 Prozent konkretisiert werden. Nach Auskunft des Elisabeth-Schulleiters Karl-Heinz Meyna hat es bislang keine Anmeldungen ausländischer Kinder gegeben. Anfragen seien lediglich von deutschen Eltern anderer Konfessionen gekommen. "Diese Wünsche können wir nicht berücksichtigen. Ausländische Kinder haben Vorrang", betonte Meyna auf Tageblatt-Anfrage.

"Ausländische Kinder haben Vorrang"! Aber wurden nicht entsprechend dem Bericht des Eichsfelder Tageblatts vom 24.8.98 rechtliche Bedenken gegen die Bevorzugung von Kindern ausländischer Herkunft geltend gemacht, "wegen der dann festgeschriebenen Ungleichbehandlung deutscher Nicht-Katholiken"?

Am 5. 10. 1998 berichtete das Eichsfelder Tageblatt:

GRUNDSCHUL-STREIT/CDU und SPD lehnen Antrag der Ratsgruppe nach erregter Diskussion ab
Schul-Zusammenlegung ist "vom Tisch"
Vorerst "vom Tisch" ist die Forderung der Gruppe WDB-Bündnis90/Die Grünen-Hans-Georg Schwedhelm auf Zusammenlegung der beiden Duderstädter Grundschulen. CDU- und SPD-Fraktion im Stadtrat lehnten in der Sitzung am Freitag den Antrag ab.

Duderstadt (asg). Obwohl es in den vergangenen Wochen mehrere Gespräche zu der Situation in der Janusz-Korczak-Schule gegeben habe, teilte Bürgermeister Lothar Koch zu Beginn der Debatte mit, sei es bislang zu keiner Aufnahme ausländischer Kinder an der katholischen St. Elisabeth-Grundschule gekommen. Ratsherr Wolfgang Hirschfeld (Grüne) betonte, selbst wenn der Rat den Antrag auf Zusammenlegung der Schulen jetzt ablehne, werde das Thema die Stadt noch jahrelang beschäftigen. Für diesen Fall habe die Gruppe auch einen entsprechenden Grundsatzbeschluß vorbereitet, der dann zur Abstimmung vorgelegt werde. In diesem Grundsatzbeschluß sollte der Rat seine grundsätzliche Bereitschaft dokumentieren, gleichwertige Lernbedingungen durch gleichmäßig verteilte Integrationsarbeit an beiden Grundschulen sicherzustellen.

Für die CDU-Fraktion kündigte Ratsherr Grünewald die Ablehnung beider Anträge an. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung seien nicht gegeben.

Dem widersprach Ratsherr Matthias Schenke (Grüne), der der Union vorwarf, "selbsternannte Christen wollten auf die Art und Weise Privilegien sichern": "Sie haben bisher nicht den Hauch eines Lösungsansatzes geliefert."

Der Forderung von Ratsherr Wolfgang Hirschfeld, so schnell wie möglich den Elternwillen an beiden Grundschulen zu eruieren, schloß sich auch der Fraktionssprecher der SPD, Rudolf Kohnert, an. Die SPD jedoch werde den Antrag zur Zusammenlegung jetzt noch nicht mittragen. "Wir halten die Zusammenlegung zwar für wünschenswert, zunächst liegt es aber bei der Elternschaft, etwas zu bewegen. Wenn die notwendige Mehrheit der Eltern der Zusammenlegung zustimmt, werden wir uns damit beschäftigen, betonte Kohnert.

Mit den Stimmen der CDU und SPD wurde dann zunächst der Antrag zur Schulzusammenlegung abgelehnt, die Abstimmung über den von der Gruppe WDB, Bündnis 90/Die Gründen - Hans-Georg Schwedhelm vorgelegten Grundsatzbeschluß brachte das gleiche Ergebnis.

Doch das Thema war noch nicht "vom Tisch". Das Eichsfelder Tageblatt berichtet darüber schon wenig später in seiner Ausgabe vom 7. 10. 1998:

SCHULSTREIT/Ratsherr verläßt Ausschuß-Sitzung
"Problem nicht aus der Welt"
Duderstadt (asg). Obwohl der Stadtrat Duderstadt in seiner jüngsten Sitzung das Thema "Zusammenlegung der Grundschulen" durch die Ablehnung des entsprechenden Antrags der Ratsgruppe WDB, Bündnis 90/Die Grünen - Hans-Georg Schwedhelm erst einmal "ad acta" gelegt hatte, tauchte dieser Tagesordnungspunkt zur Sitzung des Schul-, Kultur-, Sport- und Tourismusausschuß am Montag abend im Rathaus wieder auf - und sorgte für erregte Wortwechsel.

Ratsherr Lothar Dinges bedauerte, daß sich an beiden Schulen nichts verändert habe. Das werde, ohne sinnvolle Lösung, auch so bleiben. "Alle Ratsmitglieder müssen eine Entscheidung wollen, deshalb ist die Information der Eltern als Entscheidungsträger ganz wichtig", betonte Dinges.

Zunächst zeigte sich Ratsherr Dieter Römgens im Namen der CDU-Fraktion nicht zu einer weiteren Diskussion bereit. Doch Ratsfrau Maria Biermann (CDU) kritisierte, daß noch kein ausländisches Kind in der St. Elisabeth-Schule angemeldet worden sei, obwohl das zu einem geringen Prozentsatz möglich ist. In einem Gespräch mit Regierungsschuldirektor Engelhardt habe dieser ihr gegenüber die Vermutung geäußert, daß hier "Verhinderungspolitik" betrieben werde, "um von der anderen Seite Druck machen zu können". Nachdem dann auch noch das Wort "Ausländerfeindlichkeit" im Raum stand, verließ Ratsherr Matthias Schenke (Grüne) erzürnt die Sitzung.

Schließlich einigte sich der Ausschuß darauf, erst einmal den Regierungsschuldirektor persönlich anzuhören. Dinges dazu: "Ein unsachlicher Stil nutzt niemandem, aber das Problem ist noch nicht aus der Welt." Einig war man sich darin, daß der Grundgedanke des Elternwillens weiter verfolgt werden müsse.

Die Vermutung der im vorangegangenen Bericht des Eichsfelder Tageblattes genannten Ratsfrau, ausgerechnet ein Vertreter der Bezirksregierung Braunschweig habe von absichtlich betriebener "Verhinderungspolitik" gesprochen, führte zu folgendem Leserbrief des Rektors der Janusz-Korczak-Grundschule an die Zeitung:

In Ihrer Ausgabe vom 7. 10. 1998 führen Sie unter der Überschrift "Problem nicht aus der Welt" u. a. die Feststellung der Ratsfrau Biermann an, daß nur wegen der "Verhinderungspolitik" der nicht näher definierten "anderen Seite" noch kein ausländisches Kind in der St.-Elisabeth-Schule angemeldet worden sei. Ganz offensichtlich ist die Ratsfrau Biermann nur unzureichend über die Ereignisse informiert, die zur Forderung nach einer Zusammenlegung beider Grundschulen geführt haben.

Auslöser war die vor etwa einem Jahr bekannt gewordene Absicht der St.-Elisabeth-Schule, auch deutsche evangelische Schüler aufzunehmen (von der Aufnahme auch ausländischer nichtkatholischer Kinder ist erst seit Mitte Mai diesen Jahres die Rede). Die mit der Absicht der St.-Elisabeth-Schule verbundenen Auswirkungen auf die Schülerstruktur der Janusz-Korczak-Grundschule haben mich veranlasst, zunächst die Bezirksregierung Braunschweig (November 1997), dann die Stadt Duderstadt als Schulträger beider Schulen zu informieren (5.2.98). Die in der Schul- und Kulturausschusssitzung am 12.3.98 von Herrn Stadtdirektor Nolte bekannt gemachten Zahlen über die Entwicklung der Zusammensetzung der Schülerschaft im Ortsteil Duderstadt bis zum Jahr 2003 hat meine Analyse bestätigt, dass sich nämlich die seit je bestehenden ungleichen schulischen Lernbedingungen an den beiden Grundschulen zu Ungunsten der Janusz-Korczak-Grundschule verstärken werden und dadurch die weitere erfolgreiche pädagogische und integrative Arbeit gefährdet wird.

Bereits in meiner Mitteilung an die Stadt Duderstadt hatte ich darauf hingewiesen, dass beide doch im gleichen Gebäudekomplex untergebrachten Grundschulen sich mit Bezug auf die Schülerstruktur in einer Weise entwickeln, wie sie für voneinander getrennte Einzugsbereiche in Großstädten leider oft typisch sind. Dies ist offenbar erkannt worden und hat nach einer Reihe von "Verhandlungen", deren Ergebnisse der Janusz-Korczak-Grundschule dann nachträglich zwecks Zustimmung mitgeteilt wurden, zu dem Beschluss geführt, dass die St.-Elisabeth-Schule auf je ein deutsches nicht- katholisches Kind zwei nichtkatholische Kinder ausländischer Herkunft aufnehmen soll.

Dieses Modell ist, wie ich auf der Grundlage der durch Herrn Stadtdirektor Nolte bekannt gegebenen Zahlen nachgewiesen habe, völlig untauglich, den unbestreitbaren Anspruch auf gleiche schulische Lernbedingungen für alle Grundschulkinder dieser Stadt einzulösen. (Ich lasse hier offen, warum eigentlich zum Beispiel muslimische Eltern ihr Kind auf einer katholischen Schule anmelden sollten). Dies und die Absicht der St.-Elisabeth-Schule, entgegen der jahrelangen Praxis auch nichtkatholische Kinder für die Aufnahme auszusuchen, hat daher logischerweise zu der Forderung geführt, beide Grundschulen zusammenzulegen. Die dazu einzuleitenden Maßnahmen, insbesondere eine offene und sachgerechte Information aller Eltern von Grundschülern, sind aber durch den Schulträger bisher verhindert worden.

Nun mag jeder selbst für sich entscheiden, in welchem Zusammenhang von "Verhinderungspolitik" gesprochen werden müßte.

Die Janusz-Korczak-Grundschule braucht eine "ausgewogene" Schülerstruktur, um weiterhin ihre "gewaltige Integrationsleistung" (Bürgermeister Koch im ET am 28.5.98) erbringen zu können. Dazu ist kein wie immer organisierter "Schülerklau" (sh. Protokoll zur oben genannten Ausschusssitzung), sondern lediglich ein ausgewogenes Verhältnis deutscher Kinder zu Kindern ausländischer Herkunft erforderlich. Dies ist nur durch die Zusammenlegung beider Grundschulen mit der Folge gleicher schulischer Lernbedingungen für alle Grundschulkinder optimal möglich.

Das Eichsfelder Tageblatt hat diesen Brief in der Form eines Berichts inhaltlich ausführlich wieder gegeben (in der Ausgabe vom 14. 10. 98):

GRUNDSCHULEN
"Unzureichend informiert"
Duderstadt (asg). In einer Stellungnahme zur Schulausschußsitzung kritisiert der Leiter der Janusz-Korczak-Grundschule, Helmut Schütze, jetzt die Äußerungen der Ratsfrau Biermann, daß nur wegen der "Verhinderungspolitik" der "anderen Seite" noch kein ausländisches Kind in der St. Elisabeth-Schule angemeldet worden sei (Tageblatt berichtete). Ganz offensichtlich, so Schütze, sei die Ratsfrau nur unzureichend über die Ereignisse informiert, die zur Forderung nach einer Zusammenlegung beider Grundschulen geführt hätten.

Auslöser sei die vor rund einem Jahr bekannt gewordene Absicht der St. Elisabeth-Schule gewesen, auch deutsche evangelische Kinder aufzunehmen. Von der Aufnahme auch ausländischer nichtkatholischer Kinder ist nach Aussage Schützes erst seit Mitte Mai diesen Jahres die Rede. Die mit der Absicht der St. Elisabeth-Schule verbundenen Auswirkungen auf die Schülerstruktur der Janus-Korczak-Grundschule hätten Schütze veranlaßt, zunächst die Bezirsregierung (Nov. '97), dann die Stadt Duderstadt als Schulträger beider Schulen (Feb. '98) zu informieren. "Die in der Schul- und Kulturausschußsitzung im März von Stadtdirektor Wolfgang Nolte bekannt gemachten Zahlen über die Entwicklung der Schüler-Zusammensetzung hat meine Analyse bestätigt, daß sich die seit je bestehenden ungleichen schulischen Lernbedingungen zu Ungunsten der Janusz-Korczak-Schule verstärken werden", schreibt Schütze.

Das sei offenbar erkannt worden, und eine Reihe von "Verhandlungen" habe zu dem Beschluß geführt, daß die St. Elisabeth-Schule auf je ein deutsches nicht-katholisches Kind zwei nicht-katholische ausländische Kinder aufnehmen solle. Dieses Modell jedoch sei völlig untauglich, gleiche Lernbedingungen zu schaffen. Dies und die Absicht der St. Elisabeth-Schule, entgegen der Praxis auch nicht-katholische Kinder aufzunehmen, habe zur Zusammenlegungs-Forderung geführt. Die dazu notwendigen Maßnahmen, insbesondere eine sachgerechte Information aller Eltern, seien durch den Schulträger bisher verhindert worden, so Schütze.

Eingespielt am 07.02.00

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