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Dokument 14 Das Schulproblem aus der Sicht des Dekanatsrats der kath. St.-Cyriakus-Gemeinde

Am 10. 12. 1998 erhielten die Rektoren der beiden Grundschulen und die Vorsitzende/der Vorsitzende beider Schulen sowie der Stadtdirektor der Stadt Duderstadt eine Mitteilung des Dekanatsrates Duderstadt. Dem Anschreiben war eine "Stellungnahme des Dekanatsrats des Dekanats Duderstadt zur Integrationsarbeit an der Janusz-Korczak-Grundschule und an der St.-Elisabeth-Schule in Duderstadt" beigefügt. Beide sind hier im Wortlaut wieder gegeben:

Sehr geehrte(r),

der Dekanatsrat Duderstadt hat sich in seiner Vollversammlung am 02.12.1998 mit dem Problem der Integrationsarbeit an der St. Elisabeth-Schule und der Janusz-Korczak-Grundschule befaßt.

Darin hat die Vollversammlung den Vorstand des Dekanatsrates mit der Verfassung der folgenden Stellungnahme beauftragt.

Als Vorsitzende möchte ich Ihnen als Schulleiter, den Schulelternräten und dem Schulträger (Stadt Duderstadt, Herrn Stadtdirektor Nolte) diese Stellungnahme zuschicken.

Wir hoffen so, zu einer sachlichen Lösung und weiteren Gesprächen beizutragen. Weiterhin wird der Dekanatsrat Duderstadt eine Pressemitteilung zu diesem Thema und zum Thema der Integrationsarbeit an der St. Elisabeth-Schule herausgeben, um den Standpunkt der Kath. Kirche im Eichsfeld zu verdeutlichen. Wir wollen so die Anliegen der Kath. Schulen klarer darstellen.

Mit freundlichem Gruß

Brigitte Jakobi
1. Vorsitzende

Und hier der Wortlaut der Stellungnahme:

..... und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat (Ex 20, 10)

Stellungnahme
des Dekanatsrats des Dekanats Duderstadt
zur Integrationsarbeit an der Janusz-Korczak-Grundschule und an der St.-Elisabeth-Schule in Duderstadt

0. Das Verfahren

Der Dekanatsrat des Dekanats Duderstadt hat sich in seiner Vollversammlung am 02. Dez. 1998 mit dem Problem befaßt.

Die Vollversammlung beauftragte den Vorstand mit der Ausfertigung der folgenden Stellungnahme.

Die Vollversammlung beauftragte die Vorsitzende, die Stellungnahme dem Schulträger (Stadt Duderstadt), den Herren Rektoren der Janusz-Korczak-Grundschule und der St.-Elisabeth-Schule und dem/der Vorsitzenden der Schulelternräte der beiden Grundschulen zuzustellen.

1. Grundsätzliche Gedanken

1.1 Gastfreundschaft sowie ideelle und konkrete Solidarität wie sie beispielsweise das dritte der Zehn Gebote aufgibt (s.o.), sind Leitlinien für unser Handeln hier und heute.

1.2 Der Dekanatsrat sieht in der aktuellen Situation in unserer Stadt den folgenden Sachverhalt im Mittelpunkt:
Wie in vielen Bereichen unserer Gesellschaft und wie in vielen Regionen unseres Landes, so wohnen zur Zeit auch in unserer Stadt wesentlich mehr Frauen und Männer, Mädchen und Jungen als früher, deren Herkunftssprache nicht deutsch ist und die eine eigene kulturelle Identität leben. (Vgl. dazu im Göttinger Tageblatt vom 13. 11. 1998, S. 9)

Diese Kinder und ihre Familien gehören zu uns.
Auf diese Veränderung in der Zusammensetzung der Schulpflichtigen sollten alle Schulen in unserer Stadt so reagieren, daß diese Kinder in unserer Gesellschaft angenommen werden.

Wie kann die Integration und die Förderung von Mädchen und Jungen mit dieser Identität im schulischen Rahmen, speziell im Grundschulbereich, geleistet werden?
Dies ist das eigentlich zu bearbeitende Problem, kein anderes.

1.3 Der Dekanatsrat spricht bei dieser Gelegenheit seine Hochachtung vor der Integrations- und Förderungsarbeit aus, die alle Schulen, besonders die Kollegien der Janusz-Korczak-Grundschule und der Astrid-Lindgren-Schule, die Kindergärten und die sozialen Einrichtungen in unserer Stadt bisher geleistet haben und leisten.

1.4 Der Dekanatsrat spricht sich dafür aus, daß sich die St.-Elisabeth-Schule selbstverständlich an der Integration und Förderung von Kindern, deren Herkunftssprache nicht deutsch ist und die eine eigene kulturelle Identität leben, beteiligt.
Die Beteiligung sollte zum Ziel haben und auch entsprechend angelegt sein, die anspruchsvolle Arbeit der Integration und Förderung durch Verteilung so zu entlasten, daß Benachteiligungen aufgrund unterschiedlicher Unterrichtssituationen möglichst vermieden werden.

1.4.1 Die Tatsache, daß die St.-Elisabeth-Schule eine öffentliche Grundschule in der Trägerschaft der Stadt Duderstadt für Schülerinnen und Schüler des gleichen Bekenntnisses im Sinne vom § 129 Abs. 2 NSchG ist, steht dieser Beteiligung keineswegs im Wege, sondern - im Gegenteil - läge die Fürsorge für die aus anderen Ländern zu uns gezogenen Mädchen und Jungen vollkommen in der Linie des christlichen Bekenntnisses und stimmte ebenfalls mit dem Lebensmuster der Namenspatronin überein.

1.4.2 Außer diesen ideellen Motiven für die Beteiligung an der Integrationsarbeit - sie allein sind allerdings schon zwingend - gibt § 129 Abs. 3 NSchG rechtlich höchstrangig bewehrte (Gesetzesrang) Möglichkeiten dafür.

2. Gedanken zur Realisierung für die Beteiligung der St.-Elisabeth-Schule an der Integrationsarbeit

2.1 Das Problem
Die Aufnahme von Mädchen und Jungen, deren Herkunftssprache nicht deutsch ist und die eine eigene kulturelle Identität leben, wird kompliziert - jedoch nur formal - aufgrund der Tatsache, daß diese Kinder zumeist nicht dem römisch-katholischen Bekenntnis angehören, im Sinne des jurisitischen Sprachgebrauchs (nicht des unsrigen) "Bekenntnisfremde" sind. Nun ist der Bekenntnisunterschied - wie oben schon gesagt - im Kern nicht das vor Ort zu lösende Problem, er spielt aber in die Lösung des Integrationsproblems - formal - hinein. Im Auge zu behalten ist dagegen als Hauptproblem die Integration und die Verteilung der Integrationsarbeit.

2.2. Konkretionen

2.2.1 Eine den Schülerinnen und Schülern dienende Ausschöpfung der Möglichkeiten des § 129 Abs. 3 NSchG würde hier spürbare Entlastung schaffen. § 129 Abs. 3, NSchG lautet :
"Schülerinnen und Schüler, die diesem Bekenntnis nicht angehören, können in geringem Umfang aufgenommen werden. Das Kultusministerium wird ermächtigt, das Nähere, insbesondere die zulässigen Höchstzahlen unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, die Auswahl und das Aufnahmeverfahren, durch Verordnung zu regeln. § 52 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung."
Dieser Abs. 3 des § 129 NSchG ist am 1. 10. 1998 in Kraft getreten.

2.2.2 Mittlerweile liegt der Entwurf einer Verordnung vor, zu der § 129 Abs. 3 NSchG die Exekutive ermächtigt.
Kernstelle dieses Verordnungsentwurfs ist die Konkretisierung der Formel "in geringem Umfang". Der Verordnungsentwurf legt den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nicht dem gleichen Bekenntnis angehören, in der Regel auf 15% der Gesamtschülerschaft fest. (Diese Verordnung ist noch nicht in Kraft. Bislang gilt die Möglichkeit, 10% bis 20% Mädchen und Jungen anderen Bekenntnisses aufzunehmen. Auch Überschreitungen dieser Anteile sind unter Würdigung regionaler Besonderheiten zulässig.)

Wie auch immer geartete weitergehende Auflagen für die Schülerinnen und Schüler anderer Bekenntnisse und auch anderweitige Quotierungen sieht der Verordnungsentwurf nicht vor.

2.2.3. Zur Kenntnis zu nehmen ist über diese Passagen des Verordnungsentwurfs hinaus,
(1.) daß an sehr vielen der öffentlichen kath. Bekenntnisschulen in Niedersachsen der vorgesehene Anteil von 15 % zur Zeit bereits (und gelegentlich sogar deutlich) überschritten wird und
(2.) daß § 129 Abs. 3 Satz 2 die Auflage macht, bei der Anteilsfestsetzung auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht zu nehmen.
(Der Verordnungsentwurf sieht bereits jetzt für 2 eigens genannte Schulen einen Anteil von sogar 25% vor. Warum sollte das, was woanders als der Situation angemessene Problemlösung erarbeitet wird, nicht auch in Duderstadt möglich sein?)

3. Schlußfolgerungen

3.1 Nach diesen Vorgaben kommt der Dekanatsrat zu dem Schluß, die rechtlichen Möglichkeiten im Sinne der Integration voll zu nutzen.

3.2 Für das Schulleben von Kindern unterschiedlicher kultureller und religiöser Identität läßt sich ein zeitgenössisches pädagogisches und didaktisches Konzept sofort auflegen.
Dieses Konzept sollte berücksichtigen, daß alle Eltern, deren Kinder die St.-Elisabeth-Schule besuchen, sich für eine Angebotsschule entscheiden. Selbstverständlich sind damit auch alle Eltern - einschließlich der nichtchristlichen - ausdrücklich darum gebeten, am Schul- und Erziehungskonzept der Schule, für die sie sich entschieden haben, mitzuwirken und dieses weiterzuentwickeln. Ohne vollständig sein zu können, sollen die folgenden Hinweise exemplarisch die Richtung anzeigen, in die hinein wir uns die Konkretisierung vorstellen:
z.B. zusätzliche Förderstunde "Deutsch" während der Zeit des Schulgottesdienstes,
z.B. Aufhängen des Festtagskalenders der anderen Religionen in den Klassen neben dem christlichen Kalender,
z.B. Orientierung der Gebetspraxis am Modell der "Namen-Gottes-Litanei" ("Gotteslob Nr. 763) z.B. Erweiterung der Behandlung des Glaubens der anderen Menschen in den einschlägigen Unterrichtsfächern.

3.3 Ein in der St.-Elisabeth-Schule grundgelegtes und von den Eltern gewolltes Erziehungskonzept kann dann nach dem Verständnis des Dekanatsrates in der vom Bistum Hildesheim getragenen St.-Ursula-Schule ab Klasse 5 weitergeführt werden, wenn die Eltern - auch die nichtkatholischen - dies wünschen.

4. Abschlußgedanke

Der Dekanatsrat tritt für eine schülerfreundliche Regelung ein.
Die Regelung sollte den örtlichen Gegebenheiten angepaßt sein (Leitidee der Problemnähe, nicht der Prinzipiennähe)
Die mehrfache o.g. Bezugnahme auf die erkennbare Tendenz der zukünftig geltenden Regelung dient hier nicht dazu, neue "Verrechnungen" vorzulegen, sondern sie will deutlich machen, was schon jetzt und in Zukunft möglich ist, und zwar ohne langwierige Strukturdebatten.
Die Regelung sollte sofort greifen.
Die Regelung solle eine effektive Verbesserung bewirken.

Die in dieser Stellungnahme erwähnte (und auch in den vorangegangenen Dokumenten gelegentlich aufgetauchte sog. 15%-Regelung) ist inzwischen als Verordnung in Kraft getreten (am 19.02.99). In dem betreffenden Erlass wird zugleich deutlich, dass einige Konfessionsschulen Jahre brauchen, um auf diesen Regelsatz "herabzukommen", m. a. W.: An einer Reihe von Bekenntnisschulen gibt es so viele Bekenntnisfremde, dass der Rang einer Bekenntnisschule vom Nieders. Kultusministerium in Frage gestellt wurde. Berichten, die sich mit dem Problem der Aufnahme sog. bekenntnisfremder Kinder befassen - so zum Beispiel in der Frankfurter Rundschau vom 15. Juli 1999 - ist zu entnehmen, dass es sich bei den aufgenommenen bekenntnisfremden Kindern nicht etwa mehrheitlich um ausländische, sondern um ausgesuchte deutsche (evangelische) Kinder handelt. Damit kommt ganz unverblümt zum Ausdruck, dass "gezielt lernstarke Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern geworben" werden ("Erziehung und Wissenschaft 6/99, S. 7). Besonders grotesk wirkt in diesem Zusammenhang das manchmal pharisäerhafte Selbstlob von Bekenntnisschulen wie jenes der (allerdings nicht zu Niedersachsen gehörenden) Katholischen Sophienschule in Barmbek-Süd, in welcher jeder Schultag "mit einem Gebet und nicht, wie vielfach an anderen Hamburger Schulen üblich, mit Raufereien" beginnt. Und hervorgehoben wird, dass "selbst evangelische Eltern ihre Mädchen und Jungen zum religiös geprägten Unterricht in die Sophienschule - immerhin 25 Kinder" schicken, darunter "sogar" ein Pastor!. Ja, da fragt man sich doch, wer den Rabauken das Beten beibringen soll, wenn nicht neben den Lehrerinnen und Lehrern ganz unverzichtbar jene Kinder (und Eltern), die als Vorbild dienen können, wo Vorbilder ganz besonders dringlich sind (siehe in der Homepage des Hamburger Abendblattes, Copyright 15.6.1999) Praxis der Konfessionsschulen mit der Möglichkeit der partiellen Auswahl ihrer Schülerinnen und Schüler ist eben nicht in erster Linie, die "Sünder und Zöllner" aufzunehmen, sondern in anderen Revieren zu fischen. Dies ist offensichtlich nicht bedacht oder aber ignoriert worden, als im Niedersächsischen Landtag (Drucksache 14/838) eine Kleine Anfrage mit der Forderung eingebracht wurde, die Obergrenze für die Aufnahme bekenntnisfremder Kinder "auf 25 % heraufzusetzen".

Am 21. 12. 1998 beantworteten Schulelternrat und Schulleitung den Brief des Dekanatsrates:

Sehr geehrte Frau Jakobi,

wir danken Ihnen für Ihre Mitteilung vom 10. 12. 98 und der beigefügten "Stellungnahme des Dekanats Duderstadt zur Integrationsarbeit an der Janusz-Korczak-Grundschule und an der St.-Elisabeth-Schule in Duderstadt". Beides haben wir aufmerksam gelesen. Wir begrüßen die grundsätzlichen Gedanken und Überlegungen. Zugleich erkennen wir darin eine sachkundige und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem offenkundigen Problem möglichst gleicher schulischer Lernbedingungen der Duderstädter Grundschulkinder im besonderen und der Aufgabe der Integration im allgemeinen. In diesen Zielsetzungen stimmen wir mit Ihnen überein.

Offene Fragen ergeben sich hinsichtlich der Möglichkeiten, die Integration und Förderung von Kindern ausländischer und ausgesiedelter Herkunft speziell im Duderstädter Grundschulzentrum zu realisieren. Wir begrüßen ausdrücklich ihren Vorschlag, über Gespräche, in denen alle aufeinander zugehen, zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen.

Zu solchen Gesprächen sind wir uneingeschränkt bereit.

Mit freundlichem Gruß

Schütze
Grzesik
(Schulleiter)
(Vorsitzende des Schulelternrats)

Eine Antwort auf dieses Schreiben nicht eingegangen.

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