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Dokument 6 Offener Brief an Propst Damm (kath. St.-Cyriakus-Gemeinde)

Der Kommentar im Eichsfelder Tageblatt vom 13. 07. 98 (siehe Dokument 5) stellt u. a. anklagend fest:

"Diskussionen gemeinsamer Lösungen werden durch absurde Rassismus-Szenarien nur behindert, so als wolle man die sich öffnende Tür von außen wieder zuschlagen. Wer will ein Forum, wer ein Tribunal? Wer will, daß ausländische Eltern die Öffnung der katholischen Schule nutzen, sollte versuchen, Hürden abzubauen, statt so zu tun, als würde die St. Elisabeth-Schule ihren Beitrag zur Integration in der Missionierung Andersgläubiger sehen."

Das war heftig und zugleich deutlich ausgedrückt. Möglicherweise ist die Feststellung aus dem Kultusministerium missverstanden worden, wonach es nicht sicher sei, "daß ausländische oder ausgesiedelte Eltern in nennenswerter Zahl ihre Kinder an einer katholischen Grundschule anmelden". Auf diese Feststellung nimmt auch der Leiter der Janusz-Korczak-Grundschule in seinem "Offenen Brief" an Propst Damm vom Kath. Pfarramt in Duderstadt am 8. 7. 98 ausdrücklich Bezug:

Herrn Propst
Wolfgang Damm
Kath. Pfarramt

37115 Duderstadt

Qui statuit aliquid, parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
Seneca

Sehr geehrter Herr Propst Damm,

daß ein Beschluß, mag er auch in der wohlmeinendsten Absicht gefaßt worden sein, das genaue Gegenteil seiner Absicht zur Folge haben kann, wenn nicht auch die andere Seite dazu gehört wird, beweist sich leider mit exemplarischer Deutlichkeit an einem Fall von nicht geringer Tragweite für die Kinder der Janusz-Korczak-Grundschule. Ich spreche damit den Bericht im Eichsfelder Tageblatt vom 4. Juli 1998 an, in dem Ihre Vorstellungen und die Herrn Thalmanns zur Lösung des inzwischen bekannten Problems der Integration ausländischer (und ausgesiedelter) Schüler/innen wiedergegeben werden. Die andere Seite - das sind in diesem Falle die Kinder, die Eltern, die Lehrkräfte der Janusz-Korczak-Grundschule, unter einem Dach mit denen der St.-Elisabeth-Schule, und doch durch Welten getrennt, insbesondere wenn es um die künftigen schulischen Lernbedingungen für alle Grundschüler des Ortsteils Duderstadt geht.

Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Propst Damm, in diesem Offenen Brief in wenigen Grundzügen die Auswirkungen des von Ihnen erläuterten Beschlusses auf die Janusz-Korczak-Grundschule darlegen. Dabei gehe ich davon aus, daß der Bericht des Eichsfelder Tageblattes Ihre Aussagen und auch die Herrn Thalmanns korrekt, d. h. in dem von Ihnen gemeinten Sinne, wiedergegeben hat. Die Brisanz der Problematik läßt dies wenigstens vermuten.

Die St.-Elisabeth-Schule soll, beginnend mit dem Schuljahr 1998/99, pro Klasse drei nichtkatholische Schüler/innen aufnehmen und dabei solche nichtdeutscher Muttersprache berücksichtigen, um die Janusz-Korczak-Grundschule bei der bisher von ihr allein getragenen Integrationsarbeit zu entlasten. Dabei wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Bevölkerungsgruppe mit nichtdeutscher Muttersprache das Angebot der St.-Elisabeth-Schule auch annimmt.

Die im Eichsfelder Tageblatt wiedergegebenen Zahlen sind korrekt aus der Mitteilung des Herrn Stadtdirektors Nolte in der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses vom 12.3.98 übernommen worden. Durch die Art ihrer Präsentation verschleiern sie aber das Problem statt es mit der erforderlichen Deutlichkeit zu beleuchten. 112 Schulanfänger im Schuljahr 1998/99, darunter 16 mit nichtdeutscher Muttersprache, also 14 % ! - Der mit den tatsächlichen Gegebenheiten beider Schulen nicht vertraute Leser wird überhaupt kein Problem erkennen können; er muß vielmehr den Eindruck gewinnen, bewußt hinters Licht geführt worden zu sein, sobald er nämlich die Zahlen betrachtet, wie sie für beide Schulen Realität sind. Ich gehe davon aus, daß auch Ihnen lediglich die beiden Basiszahlen 112/16 zur Verfügung standen, nicht aber die damit verbundenen Implikationen.

Nach den neuesten kürzlich von der Stadtverwaltung bei beiden Schulen abgefragten Schülerzahlen zeigt sich das folgende Bild:

Janusz-Korczak-Grundschule (Erstkläßler)
39 (15)1)
38%
St.-Elisabeth-Schule (Erstkläßler)
63(00)
00%

1) Die in Klammern gesetzten Zahlen geben die Anzahl der Schüler/innen "nichtdeutscher Muttersprache" wieder.

Unter dem Leitmotiv "Hilfe und Entlastung für die Janusz-Korczak-Grundschule durch die St.-Elisabeth-Schule" ist für das kommende Schuljahr vorgeschlagen worden, zwei deutsche und vier Schüler/innen ausländischer Herkunft an der St.-Elisabeth-Schule im Rahmen ihrer Öffnung für nichtkatholische Schüler/innen aufzunehmen.

Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie sich dieser Vorschlag auf beide Schulen auswirkt:

Janusz-Korczak-Grundschule (Erstkläßler)
33(11)
(33 %)
St.-Elisabeth-Schule (Erstkläßler)
69(04)
(06 %)

Das Kultusministerium hat in Briefen an Herrn Wenzel (MdL) und Herrn Tokaci (Mitglied im Schulelternrat der Janusz-Korczak-Grundschule) u. a. geschrieben: "Es ist ..... nicht sicher, daß ausländische oder ausgesiedelte Eltern in nennenswerter Zahl ihre Kinder an einer katholischen Grundschule anmelden." Diese Einschätzung wird auf Erfahrungswerten beruhen, die ernst zu nehmen sind. Mit Recht muß also gefragt werden, ob sich Eltern nichtdeutscher Muttersprache, insbesondere solche mit islamischem Glaubensbekenntnis, überhaupt "berücksichtigen" lassen können, ob sie einen Revers unterschreiben können, der zum Inhalt hat, "das Konzept der Bekenntnisschule (zu) akzeptieren"? - Aus Äußerungen der Vertreter unserer ausländischen Eltern muß ich schließen, daß hier ein sehr ernstzunehmendes Problem liegt.

Unter besonnenen Christen ist unbestritten, daß Glauben und Gläubigkeit von Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften ernst zu nehmen sind. Es mag deshalb jeder gläubige katholische oder evangelische Christ sich selbst die Frage beantworten, wie er sich im umgekehrten Falle verhielte.

Die Öffnung der St.-Elisabeth-Schule für nichtkatholische Schüler/innen bietet nun allerdings für die deutschen nichtkatholischen Eltern die "Chance", ihre Kinder an einer Schule mit nahezu ausländerfreier Zone anzumelden und diesen damit schulische Lernbedingungen zu ermöglichen, die die Janusz-Korczak-Grundschule trotz aller Anstrengungen eines engagierten Kollegiums in Zukunft nur sehr schwer wird herstellen können, insbesondere dann, wenn leistungsfähige und für integratives Arbeiten unerläßliche Schüler/innen zur St.-Elisabeth-Schule überwechseln.

Sehr geehrter Herr Propst Damm! In Ihrem Grußwort zur Namensgebung der Janusz-Korczak-Grundschule vor fast genau einem Jahr haben Sie der Schule alles Gute in ihrem Bemühen um die der Schule anvertrauten Kinder gewünscht. Im Gegensatz zu einem Teil der Duderstädter Bürger, für die die Janusz-Korczak-Grundschule lediglich die "asoziale" oder "Pollacken"-Schule war und ist und wohl auch bleiben wird (mit dem nun ja auch noch "passenden Namen"), haben Sie die Arbeit und die Leistung der Janusz-Korczak-Grundschule stets angemessen einzuschätzen und zu würdigen gewußt. Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken. Viele katholische Eltern haben es in den zurückliegenden Jahren "gewagt", ihre Kinder an der ehemaligen Grundschule I, der jetzigen Janusz-Korczak-Schule, anzumelden. Sie haben damit gezeigt, daß sie diese Schule nicht als eine ausgegrenzte Restschule betrachten, sondern als eine Schule, die die gesellschaftliche Realität im kleinen repräsentiert und Kinder über die Vermittlung der regulären Unterrichtsinhalte hinaus auf eben diese Realität im großen vorbereiten hilft.

Es wird von niemandem, der ernst genommen werden will, das Ziel bestritten, gleiche schulische Lernbedingungen für alle Kinder im Ortsteil Duderstadt zu schaffen und eine optimale Integration unserer ausländischen Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Der im Bericht des Eichsfelder Tageblattes am 4. Juli 1998 aufgewiesene Weg führt ganz sicher nicht hin zu diesem Ziel!

Mit freundlichem Gruß

(H. Schütze)

Eingespielt am 04.01.2000

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