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Dokument 5
Keine gleichen schulischen Lernbedingungen für Duderstadt's Grundschüler

Zwei Tage nach dem überraschenden Bericht des Eichsfelder Tageblattes vom 4. Juli kam es zu einem Gespräch zwischen den beiden Schulen mit dem Schulträger, in welchem der Leitung der Janusz-Korczak-Grundschule das in deren Abwesenheit ausgehandelte Ergebnis zur Annahme präsentiert wurde. Der Inhalt des Gesprächs geht aus dem Brief des Rektors der Janusz-Korczak-Grundschule hervor. Eine Kopie des Briefes war dem Stadtdirektor (und dem Schulelternrat) zur Kenntnis gegeben worden. Offensichtlich gelangten auch das Eichsfelder Tageblatt in den Besitz einer Kopie, wie aus den weiter unten abgedruckten Beiträgen ersichtlich ist. Hier zunächst der Brief im Wortlaut, datiert vom 8. 7. 98:

Sehr geehrter Herr Meyna,

ich beziehe mich auf das Gespräch bei Herrn Stadtdirektor Nolte am 6. 7. 1998, an welchem Sie, Herr Unzeitig, Frau Deneke und ich sowie Herr Bonitz als Protokollführer teilgenommen hatten, um Wege zur Realisierung gleicher schulischer Lernbedingungen für alle Grundschulkinder im Ortsteil Duderstadt und zugleich für eine optimale Integration der Kinder ausländischer Herkunft und ausgesiedelter Familien zu erkunden. Der Gesprächsverlauf konzentrierte sich dann auf das Leitmotiv "Hilfe und Entlastung für die Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt durch die St.-Elisabeth-Schule Duderstadt". In diesem Sinne hatte bereits ein Gespräch in der vorangegangenen Woche stattgefunden, über das Frau Deneke und ich in der am 6. 7. 98 zusammengetretenen Runde informiert wurden. Als Ergebnis dieses Vorgesprächs haben Sie den folgenden Vorschlag unterbreitet:

Im Rahmen ihrer Öffnung auch für nichtkatholische Schülerinnen und Schüler bis zu 15 % der katholischen Schülerschaft bietet die St.-Elisabeth-Schule an, im Verhältnis von 1 : 2 deutsche und ausländische bzw. ausgesiedelte Kinder unter zuvor definierten Kriterien aufzunehmen, um die Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt zu entlasten. Diese Kriterien waren:

1. Die Zweizügigkeit der Janusz-Korczak-Grundschule muß erhalten bleiben

2. Für das kommende Schuljahr werden maximal 6 bekenntnisfremde, d. h. 2 deutsche, 4 ausländische (ausgesiedelte) Schüler/innen aufgenommen.

3. Es ist ein Antrag der interessierten Eltern bei der Schulleitung der St.-Elisabeth-Schule zu stellen. Die Schulordnung der Schule muß anerkannt werden und es muß begründet werden, warum das jeweils bekenntnisfremde Kind in der St.-Elisabeth-Schule beschult werden soll.

4. Falls die aus der Quotierung mögliche Anzahl ausländischer (ausgesiedelter) Schüler nicht zusammenkommt, wird die Höchstzahl der aufzunehmenden Schüler nicht durch zusätzliche Aufnahme deutscher Schüler angestrebt.

Herr Bonitz wurde gebeten, diese Kriterien am 7.7.98 in schriftlicher Fassung vorzulegen, nachdem sie zuvor von Ihnen gegengelesen worden seien.

Das ist inzwischen geschehen, wobei ich anmerke, daß die Schulordnung der St.-Elisabeth-Schule in dem schriftlich vorgelegten Kriterien-Katalog nicht enthalten ist, obgleich Sie die Anerkennung der Schulordnung durch die antragstellenden Eltern in der Gesprächsrunde als conditio sine qua non für die Genehmigung eines Antrags durch nichtkatholische Eltern erklärt hatten.

In Schülerzahlen ausgedrückt lautete Ihr Angebot: "Aufnahme von 2 deutschen und 4 ausländischen bzw. ausgesiedelten nichtkatholischen Kindern bereits im Schuljahr 1998/99 (entsprechend dem Bericht im Eichsfelder Tageblatt vom 4. 7. 98 mit Bezug auf den Zeitpunkt der Aufnahme). Sie haben bei Ihrem Vorschlag aber mit Blick auf Ihre Mitteilung vom 13.2.98 ausdrücklich betont, daß dieser Zeitpunkt nur in Frage kommen könne, wenn die Janusz-Korczak-Grundschule sich mit ihm einverstanden erkläre. Andernfalls würde das Aufnahmeverfahren erst mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 greifen.

Ich habe Ihren Vorschlag, obgleich die Problematik einer Quotierung bereits in meinem Bericht an den Schulelternrat der Janusz-Korczak-Grundschule deutlich gemacht worden war - und dieser Bericht liegt dem Schulträger vor - noch einmal intensiv im Kollegium und mit Vertretern der Elternschaft erörtert, soweit dies die Kürze der Zeit zuließ. Die an diesen Gesprächen Beteiligten waren einhellig der Auffassung, daß Ihr Angebot weder geeignet ist, eine wirksame "Entlastung und Hilfe für die Janusz-Korczak-Grundschule" zu bewirken noch dazu beiträgt, für alle Grundschulkinder im Ortsteil Duderstadt gleiche schulische Lernbedingungen zu schaffen.

Ich will dies für die kommenden Schuljahre aufgrund der vorliegenden Schülerzahlen in Kürze darlegen, wobei ich für das Schuljahr 1998/99 die von Ihnen angebotene Schülerzahl, für die dann folgenden Schuljahre die 15 %-Obergrenze unter Berücksichtigung der angebotenen Quotierung (ein deutsches zu zwei ausländischen Kindern) zugrunde lege. Die Schülerzahlen für die Jahre bis 2003 entsprechen den Mitteilungen des Herrn Stadtdirektors in der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses am 12. 3. 1998.

Schuljahr Schule alte Regelung neue Regelung
1998/1999 JKGs
St.-E.-S.
39(15)1) = (38 %)
63 (00) = (00 %)
33 (11) = (33 %)
69 (04) = (06 %)
1999/2000 JKGs
St.-E.-S.
47 (18) = (38 %)
56 (00) = (00 %)
39 (13) = (33 %)
64 (05) = (08 %)
2000/2001 JKGs
St.-E.-S.
48 (28) = (58 %)
55 (01) = (02 %)
40 (23) = (58 %)
63 (06) = (10 %)
2001/2002 JKGs
St.-E.-S.
51 (20) = (40 %)
51 (01) = (02 %)
43 (15) = (36 %)
59 (06) = (10 %)
2002/2003 JKGs
St.-E.-S.
60 (25) = (42 %)
59 (01) = (02 %)
51 (19) = (37 %)
68 (07) = (10 %)
2003/2004 JKGs
St.-E.-S.
64 (22) = (34 %)
45 (00) = (00 %)
57 (18) = (32 %)
52 (04) = (08 %)
1) Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf die Schüler/innen ausländischer Herkunft


Zahlen sagen nicht alles, in diesem Falle aber immerhin so viel: Eine integrative Wirkung, eine durchgreifende Entlastung und spürbare Hilfe für die Janusz-Korczak-Grundschule signalisieren sie nicht. Dabei habe ich bewußt unberücksichtigt gelassen, daß es - wie vom Kultusministerium betont - nicht sicher ist, "daß ausländische oder ausgesiedelte Eltern in nennenswerter Zahl ihre Kinder an einer katholischen Grundschule anmelden". In Gesprächen mit den Vertretern der Schülerinnen und Schüler ausländischer Herkunft im SER unserer Schule ist dies auch bestätigt worden. Nicht nur die Akzeptanz einer katholischen Erziehung, auch die Begründung eines Antrags zur Aufnahme an die katholische Bekenntnisschule stellt nicht oder kaum überwindbare Hürden auf. Sie können sich gewiß unschwer ausrechnen, wie es um die angestrebte Entlasung und Hilfe für die Janusz-Korczak-Grundschule bestellt ist, wenn ausländische Eltern sich nicht in der Lage sehen, das "Integrations-Angebot" zu nutzen, das Konzept der Bekenntnisschule zu akzeptieren und das in diesem Sinne geprägte schulische Leben mitzutragen - Forderungen, wie sie ja auch in dem schon angeführten Bericht des ET angekündigt wurden. Von einer Herstellung gleicher schulischer Lernbedingungen für alle unsere Grundschüler im Ortsteil Duderstadt kann daher durch ein Verfahren, das dem Vorschlag vom 6. 7. 98 entspricht, gewiß keine Rede sein.

Als Leiter einer katholischen Bekenntnisschule steht es Ihnen aber frei, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eine Aufnahmeregelung für nichtkatholische Schülerinnen und Schüler zu bestimmen, und beide Schulen können dabei ohne Verletzung Ihrer Kompetenz sehr wohl zusammenarbeiten. Um zunächst für das kommende Schuljahr eine praktikable Regelung zu finden - Sie sollten sich dabei nicht an ihre Mitteilung vom 13. 2. 98 gebunden fühlen - schlage ich vor, über den Schulträger nach vorheriger hinreichender Information über die anstehenden Probleme alle Eltern der Schulanfänger beider Schulen zu einer Versammlung noch vor Beginn der Ferien einzuladen, um ggf. unter der Leitung von Herrn RSD Engelhardt eine gemeinsame Lösung zu finden.

Mit freundlichem Gruß

Was immer zwischen dem Schulrat im Kirchendienst und seinen Gesprächspartnern ausgehandelt und dann am 6. 7. 98 der Schulleitung der Janusz-Korczak-Grundschule zur Annahme unterbreitet worden war - gleiche schulische Lernbedingungen für die Kinder beider unter einem Dach untergebrachten Grundschulen waren nicht dabei, wie die Zahlen der oben wiedergegebenen Tabelle ausweisen. - Ausschnitte aus dem obigen Brief gibt das Eichsfelder Tageblatt in seiner Ausgabe vom 13. Juli 1998 wieder:

Grundschulen/Eltern-Forum vor den Ferien?
Angebot von St. Elisabeth als "ungeeignet" kritisiert

Duderstadt (her). Alle Eltern der Schulanfänger beider Grundschulen im Ortsteil Duderstadt sollen noch vor den Ferien in einer Versammlung über die Lernbedingungen im kommenden Schuljahr beraten. Diesen Vorschlag hat Helmut Schütze, Rektor der Janusz-Korczak-Schule, an Karl-Heinz Meyna, Rektor der St. Elisabeth-Schule, und Stadtdirektor Wolfgang Nolte übermittelt.

Den Vorschlag begründet Helmut Schütze damit, daß die von der St. Elisabeth-Schule freiwillig ab dem kommenden Schuljahr angebotene Aufnahme von nicht-katholischen Kindern auch nicht deutschsprachiger Herkunft (Tageblatt berichtete) im geplanten Umfang "ungeeignet" sei, um gleiche Lernbedingungen an beiden Grundschulen zu schaffen. Die weiterhin erheblich höhere Zahl von einzuschulenden Ausländerkindern, dargelegt anhand der Jahre 1998 bis 2004, stehe einer "möglichst optimalen Integration der Ausländer- und Aussiedlerkinder" entgegen.

Darüber hinaus, schreibt Schütze, seien die Hürden für die Anmeldung nicht-katholischer Kinder an der St. Elisabeth-Schule für ausländische Eltern "kaum oder nicht überwindbar", so daß die angebotenen Plätze womöglich gar nicht erst besetzt werden würden. Die Eltern müßten einen schriftlich begründeten Antrag stellen und "einer katholischen Erziehung entsprechend der Schulordnung zustimmen".

Diesen Bericht begleitete der folgende Kommentar:

Integration

Hindernisse gibt es schon genug
Von Rüdiger Herzog

Niemand behauptet, daß drei nicht-katholische Kinder pro Klasse in der St. Elisabeth-Schule sofort eine gleich große Belastung der Grundschulen bei der Integration von Ausländerkindern herbeiführen. Immerhin würde der Janusz-Korczak-Schule ein Stück weitergeholfen, noch dazu bereits ab kommendem Schuljahr, falls sie statt 16 circa zehn Ausländerkinder einschulen müßte.

Damit wären die Sorgen der Janusz-Korczak-Schule mit einem Ausländeranteil von derzeit fast 34 Prozent nicht behoben. Ein Forum mit allen Eltern einzuschulender Kinder bietet vielleicht eine Chance, weiterführende Ideen zu finden. An einem Argument käme aber auch in dieser Runde keiner vorbei: Die Rechtslage steht einer gleichmäßigen Verteilung aller Konfessionen und Nationalitäten auf beide Schulen entgegen.

Nur "in geringem Umfang" darf die staatliche Angebotsschule konfessionellen Profils Nicht-Katholiken aufnehmen. Die Zahl zu beschulender Ausländerkinder ist aber nicht gering. Eine gleichmäßigere Verteilung wäre möglich, wenn die St. Elisabeth-Schule keine Angebotsschule mehr wäre. Dies müßten aber laut Niedersächsischem Schulgesetz zwei Drittel der Eltern beantragen, die ihre Kinder zur St. Elisabeth-Schule schicken.

Aussichtsreicher wäre die Diskussion, ob der im Gesetz genannte "geringe Umfang", der in einer ausstehenden Verordnung voraussichtlich mit 15 Prozent angegeben werden wird, in der Duderstädter Angebotsschule größer ausfallen könnte, weil sie hier einzige Alternative ist.

Diskussionen gemeinsamer Lösungen werden durch absurde Rassismus-Szenarien nur behindert, so als wolle man die sich öffnende Tür von außen wieder zuschlagen. Wer will ein Forum, wer ein Tribunal? Wer will, daß ausländische Eltern die Öffnung der katholischen Schule nutzen, sollte versuchen, Hürden abzubauen, statt so zu tun, als würde die St. Elisabeth-Schule ihren Beitrag zur Integration in der Missionierung Andersgläubiger sehen.

Dieser Kommentar blieb nicht unwidersprochen. Das Eichsfelder Tageblatt veröffentlichte dazu die beiden folgenden ungekürzt wieder gegebenen Leserbriefe:

Probleme wären zu lösen

Betr.: "Hindernisse gibt es schon genug", Eichsfelder Tageblatt vom 13. Juli 1998

Von einer Tageszeitung - zumal wenn sie wie in unserer Region keine Konkurrenz hat - sollte der Leser eigentlich eine umfassende, gründliche Information erwarten können. Daher sollte Herr Herzog bei einer so schwierigen Diskussion wie dem Grundschulthema besonders sorgsam mit Fakten und Daten umgehen, so daß der Leser einen Einblick in die Duderstädter Grundschulproblematik bekommt. Es wäre der Sachinformation dienlicher gewesen, die Rechtslage umfassend darzustellen. Wer, wie Herr Herzog, den Lesern vorgibt, die einzige Alternative sei die 15 % Regelung bzw. diese Regelung aufzuweiten, führt Leser in die Irre. Es gibt auch die gesetzliche Möglichkeit, mit der Zustimmung von mehr als 50 % der Eltern beider Schulen eine Zusammenlegung der Schulen herbeizuführen. Dadurch wären die wesentlichen Probleme zu lösen. Es ist schwer zu verstehen, daß viele Eltern die Chance einer christlichen Erziehung und nuancenreichen Pädagogik an der Janusz-Korczak-Schule nicht nutzen. Hier könnten Sie, Herr Herzog, mit realistischer Information Hürden abbauen.
Christel Dinges, Duderstadt

Diskussion ist einfach zu peinlich

Betr.: "Hindernisse gibt es schon genug", Eichsfelder Tageblatt vom 13. Juli 1998

Die Diskussion ist einfach nur peinlich. Das Eichsfeld braucht keine glaubenspolitische Grundsatzdebatte, sondern einen pragmatischen schulpolitischen Konsens. Haben wir nicht fast alle einen europäischen Paß? Der Euro kommt, in der kommenden Urlaubszeit schwärmen wir Eichsfelder in die Welt aus - oder? Es geht hier um die sozialverträgliche Integration unserer kleinen ausländischen Mitbürger - sind die Kinder der Welt nicht unsere gemeinsame und hoffentlich friedliche Zukunft? Persönlich empfinde ich die ganze Debatte als staubigen Kleinstadt-Mief. Oder sind wir etwa im Eichsfeld päpstlicher als der Papst?
Hans Georg Näder, Duderstadt

Eingespielt am 01.01.2000

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