Duderstadt trennt seine Kinder...

Dokumentation des Schulelternrats

Inhaltsverzeichnis:

Einführung  
Dokument 1: Die soziale und schulische Integration von Migrantenkindern in Duderstadt aus der Sicht von betroffenen Eltern
Dokument 2 Scheitert die Integration? - Debatte im Schul- und Kulturausschuss
Dokument 3 Wünschenswert - eine gemeinsame Grundschule für alle Grundschüler
Dokument 4 Die durchsichtige Mogelpackung
Dokument 5 Keine gleichen schulischen Lernbedingungen für Duderstadt's Grundschüler
Dokument 6 Offener Brief an Propst Damm (kath. St.-Cyriakus-Gemeinde)
Dokument 7 Das Quotierungskonzept der Stadt Duderstadt
Dokument 8 Eltern informieren Ratsmitglieder!
Dokument 9 Schulträger wirbt für die Bekenntnisschule
Dokument10 "Verhinderungspolitik"
Dokument11 Appell an den Bundespräsidenten
Dokument12 Umfassende Information unerwünscht!
Dokument13 Das Schulproblem aus der Sicht der Bezirksregierung
Dokument14 Das Schulproblem aus der Sicht des Dekanatsrats der kath. St.-Cyriakus-Gemeinde
Dokument15 Der gemeinsame Eltern-Info-Abend - leider geplatzt!
Dokument16 Katholische Eltern setzen ein Zeichen!

Einführung

Im südniedersächsischen Duderstadt schwelt ein Konflikt um die beiden örtlichen Grundschulen, beide staatlich, beide in der Trägerschaft der Stadt Duderstadt, beide im gleichen Gebäudekomplex, die eine - die St.-Elisabeth-Schule - eine katholische Bekenntnisschule, die andere - die Janusz-Korczak-Grundschule - eine Schule für Schülerinnen und Schüler aller Bekenntnisse und natürlich auch für Kinder ohne Religionszugehörigkeit.

Bis zum Herbst 1997 war Praxis: die St.-Elisabeth-Schule nimmt ausschließlich Kinder des katholischen Bekenntnisses auf, die Janusz-Korczak-Grundschule alle nichtkatholischen Kinder - deutsche und solche ausländischer Herkunft - und auch auf Wunsch der Eltern katholische Kinder.

Der Anteil der Kinder ausländischer Herkunft aus den Flüchtlingsländern nahm an der Janusz-Korczak-Grundschule ständig zu und erreichte in einigen Klassen die Marke von 40 % und darüber. In dieser Situation wurde bekannt, die St.-Elisabeth-Schule beabsichtige, auch deutsche evangelische Kinder aufzunehmen. Diese hätten nur von der Janusz-Korczak-Grundschule kommen können mit der Folge, dass diese zu einer Schule für Randgruppen zu werden drohte (als "Ausländerschule" war sie so und so schon abgestempelt).

Für den Schulelternrat und die Schulleitung gab es angesichts dieser nicht zu verantwortenden Entwicklung nur einen Weg, nachdem über interne Gespräche keine akzeptable Lösung gefunden werden konnte: der Öffentlichkeit diesen skandalösen Zustand zur Kenntnis zu bringen und für gleiche schulische Lernbedingungen aller Grundschulkinder im Ortsteil Duderstadt einzutreten.

Dem interessierten Besucher der homepage der Janusz-Korczak-Grundschule gibt der Schulelternrat in der Reihe "Dokumentation" Dokumente verschiedenster Art zur Kenntnis, die über Einzelheiten und die Chronologie der Duderstädter Grundschulsituation informieren.

Hannelore Grzesik
Vorsitzende des Schulelternrats der Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt


Dokument 1 Die soziale und schulische Integration von Migrantenkindern in Duderstadt aus der Sicht von betroffenen Eltern

Im Herbst 1997 sickerte durch, dass die im gleichen Gebäudekomplex mit der Janusz-Korczak-Grundschule untergebrachte St.-Elisabeth-Schule, ebenfalls staatlich, aber zusätzlich katholisch, beabsichtigte, nun auch deutsche evangelische Kinder aufzunehmen. Diese konnten nur aus der Schülerschaft kommen, die bisher ohne Ausnahme die Janusz-Korczak-Grundschule besuchten. Die Auswirkungen auf die Schülerstruktur der letzteren waren leicht voraussehbar: Der Anteil von Kindern ausländischer Herkunft würde steigen, die für die Integration und das Schulleben unverzichtbaren Kinder würden fehlen. Das musste die Lernchancen aller Kinder, insbesondere aber die der ausländischen, schwer beeinträchtigen. Das war eines der Ergebnisse einer intensiv geführten Diskussion von Eltern der Kinder ausländischer Herkunft, die zur Hinzuwahl ihrer Vertreter in den Schulelternrat zusammen gekommen waren. Der folgende Brief spiegelt diese Einsicht wider. Er war an die folgenden Personen des politischen und öffentlichen Lebens gerichtet:

Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth, MdB, zuständige Abgeordnete für den Wahlkreis
Herrn Lothar Koch, MdL und Bürgermeister der Stadt Duderstadt
Herrn Thomas Oppermann, MdL
Herrn Stefan Wenzel, MdL

Der Brief ging ebenfalls an:

Kultusministerium des Landes Niedersachsen
Bezirksregierung Braunschweig
Rat und Verwaltung der Stadt Duderstadt

 

Der Inhalt wird hier ungekürzt wieder gegeben:

 

Vertreter der ausländischen Eltern im Schulelternrat der
Janusz-Korczak-Grundschule Duderstadt

37115 Duderstadt, den 07.04.98

Sehr geehrte(r)

wir sehen uns veranlaßt, uns in einer für uns sehr bedeutsamen Angelegenheit an Sie zu wenden und Sie um Ihre Hilfe zu bitten.

Mit großer Sorge sehen wir die soziale und schulische Integration unserer Kinder an den Grundschulen der Stadt Duderstadt gefährdet.

Bisher ist die Integrationsaufgabe fast ausschließlich durch die Janusz-Korczak-Grundschule in Duderstadt mit Einsatz und Erfolg geleistet worden. Für die Zukunft muß befürchtet werden, daß die Janusz-Korczak-Grundschule diese Aufgabe nicht mehr allein leisten kann, weil sie selbst insgesamt der Gefahr sozialer Ausgrenzung ausgesetzt ist. Dies hat mit Besonderheiten der schulischen und sozialen Verhältnisse in Duderstadt zu tun.

Unter einem Dach eines Gebäudekomplexes sind in Duderstadt zwei öffentliche Grundschulen untergebracht, nämlich die schon genannte Janusz-Korczak-Grundschule als Schule für Schüler aller Bekenntnisse und die St.-Elisabeth-Schule als katholische Konfessionsschule. Beide Schulen haben dasselbe Einzugsgebiet, den Ortsteil Duderstadt. Die St.-Elisabeth-Schule nimmt aber bislang nur katholisch getaufte Kinder auf. Sie wird von fast 90 % der katholischen Grundschulkinder im Ortsteil Duderstadt besucht, während alle anderen in die Janusz-Korczak-Grundschule eingeschult werden.

Diese Situation führt zu sehr ungleichen Verhältnissen an den beiden benachbarten Schulen. Unter den derzeit 240 bis 250 Kindern der St.-Elisabeth-Schule befinden sich 3 ausländische Kinder mit katholischer Religionszugehörigkeit, während an der Janusz-Korczak-Grundschule die Zahl der ausländischen und ausgesiedelten Kinder in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Unter den ca. 220 Kindern dieser Schule befinden sich etwa 75, die aus Ausländer- bzw. Aussiedlerfamilien stammen.

Das zahlenmäßige Verhältnis der deutschen zu den ausländischen Kindern wird sich an der St.-Elisabeth-Schule bei unveränderter Einschulungspraxis nicht ändern, während es sich an der Janusz-Korczak-Grundschule gegenüber der heutigen Situation weiter ungünstig entwickeln wird, wie die demographischen Daten ausweisen. Der Anteil der Ausländer- und Aussiedlerkinder, der im laufenden Schuljahr in den ersten Klassen der Janusz-Korczak-Grundschule bereits bei 45,3 % liegt, wird in den nächsten Jahren an dieser Schule insgesamt auf über 40 % ansteigen. Diese stark unterschiedlichen Verhältnisse an den beiden Nachbarschulen sind auf Dauer untragbar, weil sie mit Nachteilen für unsere Kinder wie die deutschen Kinder an der Janusz-Korczak-Grundschule verbunden sind.

In diese Situation mit stark voneinander abweichenden Lernbedingungen für die Kinder platzte zusätzlich die Absicht des Leiters der St.-Elisabeth-Schule, künftig auch nichtkatholische deutsche Kinder aufzunehmen, sie also von der Janusz-Korczak-Grundschule abzuziehen.

Was wird die Folge sein? In der einen Hälfte des Gebäudekomplexes die St.-Elisabeth-Schule als nahezu ausländerfreier Grundschulbereich, in der anderen Hälfte die Janusz-Korczak-Grundschule mit mehrheitlich ausländischen Kindern und mit deutschen Kindern, die die St.-Elisabeth-Schule aus welchen Gründen auch immer nicht aufnimmt. Die Janusz-Korczak-Grundschule, in den Augen nicht weniger Duderstädter als "Ausländerschule" abgestempelt, würde sich tatsächlich zur Schule gesellschaftlicher Randgruppen entwickeln. In der einen Hälfte also die privilegierten, in der anderen Hälfte die ausgegrenzten Kinder.

In den Kindergärten der Stadt Duderstadt werden alle Kinder gleich welcher Religionszugehörigkeit und Herkunft ganz selbstverständlich gemeinsam erzogen. Mit dem Eintritt in die Grundschulen werden sie getrennt. Dieser Zustand der Trennung bis hin zur Ausgrenzung ist unzumutbar, unerträglich und nicht nur für unsere Kinder, sondern für die gesamte Gesellschaft gefährlich. Er ist das Gegensteil der Integration von Menschen ausländischer Herkunft. Er ist ein Ausgangspunkt für die Entwicklung sozialer Spannungen und Konflikte.

Die ungleichen schulischen Ausgangsbedingungen sowie die soziale Trennung berühren ganz elementar die Zukunfts- und Lebenschancen unserer Kinder in dieser Gesellschaft und stellen unserer Auffassung nach einen krassen Verstoß gegen grundgesetzliche Bestimmungen dar. Laut Artikel 3 des Grundgesetzes darf niemand "wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

Wir fordern für alle Kinder an den beiden genannten Schulen die Herstellung gleicher Bildungschancen dadurch, daß beide Schulen sich gleichermaßen an der Integration unserer Kinder beteiligen. Unsere Kinder haben das gleiche Recht auf Achtung und Bildung wie andere auch. Eine Abstempelung unserer Kinder als Randgruppe, ihre Ghettoisierung in einer Ausländerschule muß auf jeden Fall vermieden werden.

Wir sind froh darüber, daß der Schulelternrat der Janusz-Korczak-Schule insgesamt diese Forderung gleichfalls nachdrücklich vertritt.

Bitte, helfen Sie uns als ausländischen Eltern im Sinne der letztgenannten Forderung und im Rahmen Ihrer Möglichkeiten, die in Duderstadt bestehende Trennung der Kinder an den Grundschulen aufzuheben und damit wesentliche Grundlagen für ein Leben miteinander zu schaffen und auch für unsere Kinder gleiche schulische Ausgangsbedingungen herzustellen. Das ist unserer Auffassung nach ganz sicher im wohlverstandenen Interesse der deutschen Kinder und ihrer Familien, damit der Gesellschaft insgesamt. Ihrer Antwort sehen wir erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichem Gruß

 

Die beiden Mitglieder im Schulelternrat erhielten eine Antwort

aus dem Kultusministerium mit einem Hinweis auf die bestehende Rechtslage und der Feststellung, dass eine einfache Lösung des Problems nicht anzubieten sei

aus dem Göttinger Büro der Bundestagsabgeordneten, Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth, mit der Zusage, den Brief an die Abgeordnete und seinerzeitige Präsidentin des Deutschen Bundestages weiter zu leiten

aus dem Nieders. Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit der Mitteilung, Herr Minister Oppermann habe in der Angelegenheit mit Frau Ministerin Jürgens-Pieper gesprochen

von Herrn Stefan Wenzel, MdL, Grüne Fraktion, mit einer Kopie eines an die Kultusministerin geschriebenen Briefes

(Eingegeben am 14. November 1999)

 

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