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Dokument 3 Wünschenswert - eine gemeinsame Grundschule für alle Grundschüler

Probleme können zählebig sein und sind mit formalen Mehrheitsentscheidungen weder zu lösen noch vom Tisch zu fegen. Der Runde Tisch war abgelehnt, das Problem blieb auf dem Tisch, wie das Eichsfelder Tageblatt am 4. 5. 1998 berichtete:

Grundschulen/Grüne wollen Eltern einbeziehen
Chancengleichheit gefordert

Duderstadt (her). Ohne Konsenslösung für die zukünftige Verteilung ausländischer Grundschüler auf die Duderstädter Schulen werde die Chancengleichheit der Kinder und damit die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags gefährdet. Mit dieser Erklärung reagiert der Ortsverband der Grünen auf die Diskussion im Stadtrat Ende April.

Begrüßt wird ausdrücklich die Haltung von Propst Wolfgang Damm, der als Besucher der Sitzung signalisiert hatte, daß die katholische St. Elisabeth-Schule sich an der integrativen Aufgabe beteiligen wolle, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Die Grünen gehen allerdings davon aus, daß über Entscheidungen von Schulbehörden und Rat hinaus auch die Zustimmung der Eltern für ein erfolgreiches Konzept unabdingbar sei.

Die beiden Duderstädter Grundschulen könnten nicht nur eine ausgeglichene Belastung erreichen, vielmehr bestehe für deutsche Kinder eine Bildungschance im Umgang mit Kindern fremder Herkunft, "solange das zahlenmäßige Verhältnis stimmt".

Der Gedanke, die Janusz-Korczak-Grundschule mit ihrem derzeit hohen Ausländeranteil zu entlasten, in dem ein Teil der ausländischen oder ausgesiedelten Kinder in Schulen der Ortsteile unterrichtet werde, sei unbedingt zu verwerfen. Damit nehmen die Grünen eine Anmerkung von Bürgermeister Lothar Koch wörtlich, die im Rat nicht weiter behandelt und von CDU-Fraktionskollegen als ironisch verstanden worden war.

Schon am 9. 5. 1998 hatte das Eichsfelder Tageblatt erneut zu berichten:

Thema Grundschule

Breiten Raum in der Beratung, so der Fraktionsvorsitzende, habe auch die Situation an den Duderstädter Grundschulen eingenommen. Als wünschenswert erachte die SPD eine gemeinsame Grundschule für alle Grundschüler. Doch daraus könne nichts werden, weil das Schulgesetz auf Seiten der katholischen Grundschule sei. Verhandlungen mit allen Beteiligten könnten zur leichten Entspannung führen.

Nun, weder eine "leichte Entspannung" noch eine "Entlastung" der Janusz-Korczak-Grundschule führen zu gleichen schulischen Lernbedingungen für alle Duderstädter Grundschulkinder. Was also tun? - Das Eichsfelder Tageblatt berichtet am 20. 5. 1998:

Integration/Nachdenken über Zusammenlegung der beiden Grundschulen
Ministerin soll Hilfestellung geben

Duderstadt (sr). Auf ministerielle Hilfe hoffen die Bündnis-Grünen bei der Integration ausländischer Kinder an den Grundschulen in Duderstadt. In einem Schreiben an Kultusministerin Renate Jürgens-Pieper schreibt der Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel von Bündnis 90/Die Grünen unter anderem. "Es kann nicht angehen, daß eine Schule, die den christlichen Anspruch vor sich herträgt, sich in dieser Frage völlig verweigert. Die Integration und Beschulung von Kindern ausländischer Herkunft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein Schule, die ihre Schüler nach Herkunft und religiöser Anschauung selektiert, verstößt letztendlich gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Paragraph 3)". Wenzel fragt die Kultusministerin nach den Einwirkungsmöglichkeiten des Landes wie des Schulträgers und bittet sie, sich in dieser Angelegenheit zu engagieren.

Begrüßt wird von den Duderstädter Grünen, daß die SPD-Ratsfraktion inzwischen die Vereinigung der St. Elisabeth-Schule und der Janusz-Korczak-Grundschule als die beste Lösung zur Integration ausländischer Kinder ansieht. Dabei teilen die Grünen nicht die Besorgnis der SPD, daß dieser Schritt aber aus rechtlichen Gründen nicht zu realisieren sei. Tatsächlich lasse sich eine Vereinigung herbeiführen, wenn der Schulträger und die Erziehungsberechtigten von mehr als der Hälfte der Schülerschaft zustimmen.

Schwieriger wäre dagegen eine Umwandlung der konfessionellen St. Elisabeth-Schule in eine öffentliche Anstalt. Ein solcher Schritt setzte einen Antrag von mehr als zwei Dritteln der Erziehungsberechtigten der Kinder dieser Schule voraus. Bedauern äußern die Grünen, daß sich die CDU im Stadtrat noch nicht erklärt habe, wie das Integrationsproblem aus der Welt zu schaffen sei. Die CDU könne sich der Aufgabe und Verantwortung aber nicht entziehen, zu einer gerechten Lösung beizutragen und gleiche Bildungschancen für alle Grundschulkinder in Duderstadt zu schaffen, so argumentiert Götz Hütt von Bündnis90/Die Grünen.

Schon acht Tage später, am 28. Mai 1998, berichtet das Eichsfelder Tageblatt erneut über das Thema "Integration", diesmal aus der Sicht der Mehrheitspartei im Duderstädter Stadtrat. Gleichzeitig veröffentlicht die Zeitung einen Kommentar zum anstehenden Problem. Beides wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben:

Integration
Lothar Koch wählt kleinen Dienstweg

Duderstadt/Braunschweig (sr). "Das Problem der Integration der Kinder ausländischer Bürger in Duderstadt läßt sich nur "über den kleinen Dienstweg lösen." Diese Erkenntnis nahm Bürgermeister Lothar Koch aus den jüngsten Gesprächen mit den Fachdezernenten der Bezirksregierung mit.

Dort legte er ausführlich dar, daß die Janusz-Korczak-Grundschule in Duderstadt bislang so gut wie allein die ausländischen Kinder unterrichtet und betreut habe. Dort sei eine gewaltige Integrationsleistung erbracht worden. Jetzt aber verschärfe sich die Lage, und man müsse darüber nachdenken, wie die St. Elisabeth-Grundschule mit in das Integrationsprogramm eingebunden werden könne.

Die Prüfung der Rechtslage habe ergeben, daß die St. Elisabeth-Schule juristisch kaum gezwungen werden könnte, Kinder anderen Glaubens als des katholischen aufzunehmen. Auch eine formale Zusammenlegung der beiden Grundschulen würde unter Umständen scheitern, denn es wären bei den notwendigen Abstimmungen innerhalb der Elternschaft erhebliche und deutliche Mehrheiten notwendig.

"Was uns also bleibt", so Koch, sei das persönliche Gespräch mit dem Schulleiter der St. Elisabeth Schule, wobei Propst Wolfgang Damm in Vorgesprächen Äußerungen getan habe, die darauf hoffen ließen, daß es zu einer Einigung - eben auf dem kleinen Dienstwege - komme. Und das möglichst schon zum nächsten Schuljahr, denn die Zeit und die Schülerzahlen drängen.

Soweit der Bericht des Eichsfelder Tageblattes vom 28.5.1998, dem nun der Kommentar vom gleichen Tage folgt. Auch in diesem ist - wie in dem vorangegangenen Bericht - von einem "Signal" des Propstes Wolfgang Damm die Rede, ohne dass genau deutlich würde, worum es sich dabei handelt.

Grundschulen

Alternative Monokultur?
Von Rüdiger Herzog

Mancher mag bedauern, daß es offenbar keine rechtliche Handhabe dafür gibt, für katholische Schulen multikulturelle Klasse(n) einfach anzuordnen. Man müßte nicht mehr darüber diskutieren, wie lange noch vertretbar ist, die Janusz-Korczak-Grundschule allein im Regen stehen zu lassen. Aber kann es für das Ziel der Integration überhaupt nützlich sein, das Miteinander anzuordnen? Ist nicht, ganz ohne jedes Muß, das konstruktive Signal von Propst Wolfgang Damm längst erfolgt?

Es wurden so viele Argumente genannt, warum sich beide Schulen gleichermaßen der Integration von Ausländerkindern widmen sollten, daß sich fragt, wer eigentlich noch dagegen ist. Religiös fundierte Pädagogik müßte ebenso wie die staatlich zu verantwortende ausschließen, daß die besseren Bildungs-Chancen der einen Kinder zu Lasten der anderen gehen.

In Duderstadt stellt sich das Grundschulproblem durchaus auch als eine der Standortfragen. Wenn neben der multikulturellen Überforderung der einen Schule als einzige Alternative die quasi monokulturelle Sonderrolle der anderen steht, hat zum einen die Integration schlechte Karten. Zum anderen wirkt dieser Part an Infrastruktur nicht sonderlich zeitgemäß. In einer Stadt ohne Barrieren sollen die Kinder für das Leben lernen, aber für das wirkliche.

Nach einer etwa dreiwöchigen Ruhephase stand das Thema "Integration" erneut auf der Tagesordnung des Rates der Stadt Duderstadt, und zwar im Schul- und Kulturausschuss. Dabei ging es offensichtlich etwas wirr zu, wie den drei folgenden unkommentierten Berichten des Eichsfelder Tageblattes zu entnehmen ist.

Eichsfelder Tageblatt vom 15.6.98

Integration/Ratsgruppe beantragt ein Zusammenlegen beider Grundschulen
Aufnahmepraxis führt zur Ausländer-Ausgrenzung

Duderstadt (the). Eine zunehmende Ausgrenzung ausländischer Kinder fürchtet die Duderstädter Ratsgruppe, bestehend aus WDB, Bündnis90/Die Grünen und Hans Georg Schwedhelm. In einer Pressemitteilung kündigte die Gruppe einen entsprechenden Antrag für die Schulausschußsitzung am heutigen Montag an, mit dem sie die Zusammenlegung der beiden Duderstädter Grundschulen fordert.

Nach Ansicht der Gruppe würden ausländische Kinder andernfalls weiterhin an der Janusz-Korczak-Schule konzentriert. Grund sei die Aufnahmepraxis der St.-Elisabeth-Schule, an der nur katholische, also in der Regel deutsche Kinder eingeschult werden. Den Vorschlag von Bürgermeister Lothar Koch (CDU), nach dem die Elisabeth-Schule freiwillig auch einen Anteil nichtdeutscher Kinder aufnehmen soll, halten die Antragsteller aus verschiedenen rechtlichen und praktischen Gründen nicht für praktikabel.

Die Ratsgruppe würde allerdings auch eine Lösung ohne Zusammenlegung der Schulen begrüßen. Sollte die Elisabeth-Schule einen gangbaren Weg finden, eine ihrem Anteil an der Gesamtgrundschülerzahl entsprechende Zahl ausländischer Kinder aufzunehmen, würde der Antrag zurückgezogen.

Eichsfelder Tageblatt vom 17.6.98

SCHULAUSSCHUSS/Ratsgruppe zieht Antrag auf Zusammenlegung der Grundschulen zurück
"Einen Königsweg gibt es zur Minute nicht"

Ihren Antrag, die beiden Duderstädter Grundschulen zusammenzulegen, hat die Ratsgruppe WDB-Bündnis 90/Die Grünen-Hans Georg Schwedhelm am Montag zurückgezogen. Der Antrag war zuvor im Schul-, Kultur- Sport- und Tourismusausschuß diskutiert worden.

Duderstadt (asg). Hintergrund ist die schwierige Situation an der Janusz-Korczak-Schule. Prozentual ist die Zahl der ausländischen Kinder dort kontinuierlich angestiegen, während an der St. Elisabeth-Grundschule nur katholische Kinder aufgenommen werden (Tageblatt berichtete).

Zu Beginn der Diskussion hatte Ausschuß-Vorsitzender Karl-Heinz Meyna auf den vorliegenden Ratsbeschluß vom 24. April hingewiesen, nachdem die Stadt die außergewöhnliche Situation an der Janusz-Korczak-Schule anerkennt. Der Stadtdirektor wurde damals gebeten, alle relevanten Meinungen in Lösungsvorschläge einzubringen.

Stadtdirektor Wolfgang Nolte berichtete zunächst, daß bisher mehrere Gespräche stattgefunden hätten, die noch fortgesetzt werden müßten: "Leider muß ich sagen, den Königsweg gibt es zur Minute nicht, da es - unter Wahrung der rechtlichen Situation und des Elternwillens - nicht einfach ist, eine einvernehmliche Lösung zu finden." Allerdings könne aufgrund eines neuen Rechtsrahmens die neue 15-Prozent-Regelung zum Schuljahr 1999/2000 an der St. Elisabeth-Schule greifen. Nolte regte an, den Antrag der Ratsgruppe auf Zusammenlegung der Schulen im Gesamtpaket zu beraten, wenn die rechtliche Situation abgeklärt sei. Das könne aber erst nach den Sommerferien passieren. Außerdem sei für die Sitzung nur ein Sachstandsbericht auf der Tagesordnung vorgesehen.

Das war Ratsmitglied Hans Georg Schwedhelm nicht genug. Die Ratsgruppe beantrage das notwendige Verfahren zur Zusammenlegung bereits jetzt - es sei denn ein anderes Verfahren führe zur Lösung des Problems und mache die Zusammenlegung überflüssig.

Weder die CDU- noch die SPD-Fraktion im Schulausschuß wollten den Antrag jedoch unterstützen. Einen Antrag von solcher Brisanz werde man nicht "auf die Schnelle beraten", betonte Dieter Römgens (CDU). Ohne die Berücksichtigung des Elternwillens könne die katholische Grundschule nicht einfach abgeschafft werden. Römgens räumte aber ein, daß die 15-Prozent-Regelung keine Lösung sei, die Situation sogar noch verschärfe. Auch Ratsherr Rudolf Kohnert forderte den Ausschuß auf, "ehrlich zu sein": "Es wird kein neues Gesetz geben. Außerdem werden moslemische Eltern ihre Kinder nicht in eine katholische Schule schicken." Nach einer kurzen Beratung zog die Ratsgruppe ihren Antrag zunächst zurück: Erst sollten Alternativlösungen entwickelt werden.

Eichsfelder Tageblatt vom 20.6.1998

Antrag nicht zurückgezogen

Duderstadt (asg). In einer Pressemitteilung betont die Ratsgruppe WDB-.Bündnis 90/Die Grünen - Hans Georg Schwedhelm, daß sie ihren Antrag auf Zusammenlegung der beiden Duderstädter Grundschulen nicht zurückgezogen habe - auch nicht vorläufig. Dazu habe es auch keinen Anlaß gegeben, da die Beratungen im Schulausschuß (Tageblatt berichtete) gezeigt hätten, daß andere Lösungswege bislang nicht erkennbar seien.

Die Gruppe habe deshalb dem vom Stadtdirektor Wolfgang Nolte eingebrachten Vorschlag zugestimmt, diesen Antrag in die künftigen Beratungen des Problems einzubeziehen.

Eingespielt am 17. Dezember 1999

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